Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
Vom Netzwerk:
seines Maultiers und nestelte kurz daran herum. Einen Moment lang erschien alles an ihm – die Sandalen, das Gepäck, das Gewand aus weißem Leinen – einsam und ärmlich. Warum sah er immer so ärmlich aus?
    Sie dachte an Sarcellus – kühn, geschmeidig, parfümiert.
    »Ich verlasse dich nicht, Esmi«, sagte Achamian seltsam entschieden. »Das könnte ich nie. Nicht noch mal.«
    »Ich sehe aber nur eine Schlafmatte«, meinte sie.
    Er versuchte zu lächeln, wandte sich dann ab und führte Tagesanbruch unbeholfen fort. Sie sah ihm nach, und ihre Eingeweide glühten, als baumelte sie über einem Abgrund. Er folgte dem Pfad in östlicher Richtung, kam an einer Reihe wettergegerbter Rundzelte vorbei und schien ganz schnell klein zu werden. Seltsam, dass Sonnenlicht entfernte Gestalten so dunkel wirken ließ…
    »Akka!«, rief sie, ohne sich darum zu scheren, wer es hörte. »Akka!«
    Die Gestalt mit dem Maultier hielt in der Ferne an. Dann winkte der Hexenmeister und verschwand in einem Wäldchen schwarzer Weiden.
     
     
    Achamian hatte festgestellt, dass intelligente Leute meist weniger glücklich waren als ihre schlichter gestrickten Zeitgenossen. Der Grund dafür war einfach: Sie durchschauten ihre Illusionen besser. Die Wahrheit ertragen zu können, hatte wenig, eigentlich gar nichts mit Intelligenz zu tun. Der Intellekt war viel besser darin, Wahrheiten wegzudiskutieren, als sie zu finden. Deshalb brauchte er Abstand von Kellhus und Esmenet.
    Er führte sein Maultier einen Pfad entlang, der rechts vom schwarzen Strom des Sempis, links von einer Reihe gewaltiger Eukalyptusbäume begrenzt wurde. Bis auf vereinzelte Lichtstrahlen, die durch die Zweige drangen, schützten ihn die lichten Baumkronen vor der Sonne. Eine Brise strich durch seine weiße Leinentunika. Wie herrlich, dachte er, endlich allein zu sein.
    Als Xinemus ihm erzählt hatte, in der Sareotischen Bibliothek seien einige Bücher zur Gnosis gefunden worden, hatte Achamian gleich verstanden, dass sein Freund ihm damit durch die Blume sagen wollte, er solle gehen. Seit dem Abend mit der Wathi-Puppe hatte Achamian stets damit gerechnet, vom Feuer des Marschalls verbannt zu werden – sei es auch nur vorübergehend. Und er sehnte sich sogar nach dieser Verbannung, danach, von denen getrennt zu werden, die ihn zu erdrücken drohten.
    Aber es schmerzte dennoch.
    Macht nichts, sagte er sich. Das ist nur eine Streitigkeit mehr, die sich daraus ergibt, dass unsere Freundschaft sich eigentlich nicht schickt. Ein Adliger und ein Hexenmeister! »Es gibt keine schwierigere Freundschaft«, hatte ein Poet des Stoßzahns geschrieben, »als die mit einem Sünder.«
    Und Achamian war ein Sünder par excellence.
    Anders als so mancher Hexenmeister dachte er nur selten an seine Verdammnis. Und er vermutete, dass Männer, die ihre Frauen schlugen, aus ähnlichem Grund kaum an ihre Fäuste dachten.
    Aber es gab noch andere Gründe. In seiner Jugend hatte er zu den Schülern gehört, die sich in Respekt- und Pietätlosigkeit ergingen, als würde die tödliche Blasphemie, die er erlernte, jede kleinere oder größere Gotteslästerei gestatten. Er und Sancla, mit dem er in Atyersus eine Kammer teilte, hatten sich den Traktat gern laut vorgelesen und über seine Absurditäten gelacht, über die Beschneidung der Priester etwa und natürlich über die Reinigungsriten. Besonders eine Passage aber hatte ihn all die Jahre verfolgt: die berühmte »Ermahnung, nichts zu erwarten« aus dem Buch der Priester nämlich.
    »Hör dir das mal an!«, hatte Sancla eines Abends von seiner Pritsche gerufen. ›»Und der Letzte Prophet sagte: Frömmigkeit ist nichts für Krämerseelen. Gebt nicht Speise gegen Speise, Obdach gegen Obdach und Liebe gegen Liebe, sondern gebt ohne Erwartung. Gebt Speise für nichts, Obdach für nichts und Liebe für nichts. Überlasst dem das Feld, der euren Boden betritt. Denn all dies tun die Gottlosen nicht. Erwartet nicht, und ihr werdet immerwährende Herrlichkeit finden.‹«
    Sancla hatte die dunklen, stets lachenden Augen, die sie eine Zeit lang zu einem Liebespaar werden ließen, auf den jüngeren Freund Achamian gerichtet. »Ist das nicht unglaublich?«
    »Was?«, fragte Achamian, lachte aber schon, da er wusste, dass alles, was Sancla aufspießte, sich als zum Brüllen komisch erwies. Als ein betrunkener Adliger seinen Freund drei Jahre später in Aöknyssus mit einem Chorum tötete, war Achamian tief erschüttert.
    Sancla klopfte mit dem Zeigefinger auf

Weitere Kostenlose Bücher