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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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sich das Herz aus dem Leib und schleuderte es unter tosendem Beifall in die Luft. Dann warf er einen flüchtigen Blick auf das Spinnengesicht von Sarcellus.
    Ich verstehe…
    »Es hieß«, begann er donnernd, und die Menge verstummte, »es hieß, ich sei ein falscher Prophet und der Grund dafür, dass Gott seinen Zorn gegen uns gerichtet habe!«
    Er sah in ihre ausgezehrten Gesichter, ihre fiebrigen Augen.
    »Ich aber sage: Wir, wir sind dieser Zorn!«
     
     
    Kascamandri, der unbesiegbare Padirajah von Kian, ließ den todgeweihten Männern des Stoßzahns ein Angebot zukommen, und zwar ein sehr gnädiges, wie er fand: Wenn die Inrithi aufgeben, Caraskand räumen und der götzendienerischen Anbetung falscher Götter abschwören würden, blieben sie verschont, bekämen Ländereien zugeteilt und würden – entsprechend ihrer bisherigen gesellschaftlichen Stellung – Granden von Kian werden.
    Kascamandri war nicht so dumm zu glauben, dieses Angebot würde sofort angenommen, doch er wusste einiges über Verzweiflung, und ihm war klar, dass im Wettstreit der Begierden die Frömmigkeit oft auf der Strecke blieb. Außerdem würde die Nachricht, nicht die Schwerter des Propheten Fane, sondern die Kraft seiner Lehre habe den Heiligen Krieg besiegt, die gottlosen Tausend Tempel bis in die Grundfesten erschüttern.
    Die Antwort kam in Gestalt von zwölf bis auf die Knochen abgemagerten Rittern in schlichter Baumwolltunika, die nur Messer dabeihatten. Nach einem Streit über ihre Waffen, die die Götzendiener nicht ablegen wollten, empfingen Kascamandris Leibwächter sie mit allen Ehren und brachten sie direkt zum großen Padirajah, seinen Kindern und den Fürsten des Hofs.
    Es herrschte erstauntes Schweigen, da die Kianene kaum glauben konnten, dass solche Elendsgestalten für so viel Leid verantwortlich waren. Dann riefen die zwölf wie aus einem Munde: »Satephikos kana ta yerishi ankapharas!«, zogen ihre Messer und schnitten sich die Kehle durch.
    Entsetzt schloss Kascamandri seine beiden jüngsten Töchter in die riesigen Arme. Sie schluchzten und schrien, während die Älteren, vor allem seine Jungen, aufgeregt tuschelten. Dann drehte er sich zu seinem bass erstaunten Übersetzer um.
    »Sie haben gesagt«, stammelte der aschfahle Mann, »der Kriegerprophet werde vor Euch hintreten…« Dabei starrte er hilflos auf die goldenen Hausschuhe des Padirajah.
    Als Kascamandri wissen wollte, wer dieser Kriegerprophet sei, konnte ihm niemand eine Antwort geben. Erst als die kleine Sirol erneut losschrie, hörte er auf zu schimpfen, schickte seine Sklaven fort, sauste mit ihr zu den weihrauchschwangeren Gemächern seines Pavillons und versprach ihr Süßigkeiten und andere herrliche Dinge.
    Am nächsten Morgen zogen die Männer des Stoßzahns durch das Elfenbeintor auf die grünende Ebene von Tertae. Kriegshörner dröhnten von Hügel zu Hügel. Aus tausend Kehlen drangen Lieder durch die Luft. Nicht länger würde der Heilige Krieg Hunger und Krankheit ertragen und die Belagerung hinnehmen.
    Er würde marschieren.
    Die zerlumpten Kolonnen schlängelten sich aus den Toren auf die Felder. Der schwerkranke Gothyelk war zum Kämpfen zu schwach und hatte seinem mittleren Sohn Gonrain das Kommando gegeben. Die Hohen Herren hatten sich darauf geeinigt, den Tydonni die rechte Flanke zu lassen, damit der Graf von Agansanor seinen Sohn von der Stadtmauer aus beobachten konnte. Dann kam Ikurei Conphas, flankiert von den heiligen Sonnen seiner kaiserlichen Truppen. Ihm folgte Nersei Proyas an der Spitze der einst prächtigen Ritter von Conriya. Alsdann tauchte Huiwarga der Hinkende auf, dessen Thunyeri Geistern ähnlicher sahen als Männern. Dahinter ritt Chinjosa, der Pfalzgraf von Antanamera, der nach Chepheramunnis Tod zum regierenden König von Ainon ernannt worden war. Das große Heer, das die Scharlachspitzen aus Ainon mitgebracht hatten, war nur noch ein Schatten seiner selbst, obwohl die verbliebenen Männer erbitterte Kämpfer waren. König Saubon und seine fanatisch dreinblickenden Galeoth kamen als Letzte aus Caraskands großem Elfenbeintor.
    Um die Götzendiener nicht durch einen überstürzten Angriff in den Schutz der Mauern von Caraskand zurückzutreiben, ließ Kascamandri die Inrithi sich ungestört auf der Ebene formieren. Die Männer des Stoßzahns bildeten zwischen Kuhställen und vor verlassenen Gehöften eine Kampflinie, die etwa eine Meile breit war. In verrostetem Kettenhemd und verrottetem Lederwams standen die

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