Der Prinz von Atrithau
Schwachen neben den Starken. Gurtlose Rüstungen hingen an ausgemergelten Körpern. Mancher Arm schien nicht dicker als ein Schwert zu sein. Ritter in Westen und Umhängen aus Enathpaneah waren auf ausgehungerten Kleppern unterwegs. Selbst die wenigen Nichtkämpfer, die überlebt hatten – vor allem Frauen und Priester –, waren dabei. Wer eine Waffe zu tragen vermochte, war aufs Schlachtfeld gekommen, um zu siegen oder unterzugehen. Sie bildeten lange, ausgemergelte Reihen, sangen Hymnen und schlugen mit der Klinge auf ihren Schild.
Etwa hunderttausend Inrithi waren aus der Carathay gewankt, und weniger als fünfzigtausend standen nun vor der Stadt. Weitere zwanzigtausend waren so schwach, dass sie ihre Kameraden höchstens von der Stadtmauer aus anfeuern konnten. Sie hatten sich vom Krankenbett auf die Triamischen Mauern geschleppt, besonders zum Elfenbeintor. Manche riefen Ermunterungen oder stimmten Gebete an, während andere – zwischen Hoffnung und Hoffnungslosigkeit hin- und hergerissen – zu weinen begannen.
Alle aber blickten gleichermaßen gespannt zur Mitte der Schlachtlinie, um einen flüchtigen Blick auf das neue Banner zu erhaschen, das die abgewetzten Standarten des Heiligen Kriegs führte. Dal Durch knospende Wäldchen oder über wellige Wiesen hinweg wehte sie im Wind: eine weiße Fahne mit einem schwarzen Ring darauf, den der Umriss des Kriegerpropheten zweiteilte.
Kriegshörner bliesen zum Vorrücken, und die trüben Reihen bewegten sich auf Obstgärten, Eschen- und Platanenhaine zu. Kascamandri hatte sein Heer mehr als zwei Meilen entfernt Aufstellung nehmen lassen, dort also, wo das wellige Terrain zwischen der Stadt und den Bergen ringsum sich verbreiterte, denn ihm war klar, dass es für die Inrithi schwierig wäre, die zwischen den Heeren liegende Entfernung zu überwinden, ohne dabei ihre Flanken zu entblößen oder Löcher in ihre Kampflinie zu reißen.
Lieder klangen über das dröhnende Trommeln der Fanim hinweg: die tiefen Kriegsgesänge der Thunyeri, die einst Verderben kündend durch die Wälder ihrer Heimat gedrungen waren; die Klagelieder der Ainoni, deren kultivierte Ohren die Dissonanzen menschlicher Stimmen genossen; die feierlichen und Unheil verkündenden Trauergesänge der Galeoth und der Tydonni. Beim Singen überkamen die Inrithi seltsame Empfindungen: Freude, die kein Lachen, und Schrecken, der keine Furcht kannte. Sie sangen und schleppten sich dabei mit der Anmut fast gebrochener Männer vorwärts.
Zahllose wurden in Folge ihrer Unterernährung ohnmächtig, doch ihre Landsleute zogen sie wieder auf die Beine und schleiften sie durch den Schlamm brachliegender Felder vorwärts.
Das erste Blut floss im Norden, nahe der Triamischen Mauern. Die Tydonni unter Unswolka von Numaineiri sahen Wellen von Fanim auf den Anhöhen vor ihnen auftauchen. Ihre geflochtenen schwarzen Ziegenbärte hüpften im Rhythmus der trabenden Pferde. Die Numaineiri, deren Gesichter rot bemalt waren, um ihren Feinden Angst einzujagen, stützten ihre trapezförmigen Schilde gegen die hageren Schultern. Ihre Bogenschützen schossen kümmerliche Salven gegen die anrückenden Fanim und bekamen dunkle Wolken von Pfeilen – aus vollem Galopp abgeschossen – zur Antwort. Unter Ansacer, dem ins Exil geflohenen Sapatishah von Gedea, warfen sich die enteigneten Granden von Shigek und Enathpaneah wütend gegen die großgewachsenen Krieger aus Ce Tydonn.
In der Mitte des Schlachtfelds stürmten brüllende Mastodonten auf das Banner des Kriegerpropheten zu. In ihren Sänften saßen schwarzgesichtige Girgashi mit blauen Turbanen und Schilden aus rot lackiertem Rindsleder. Aber wagemutige Vorreiter – Ritter aus Anplia unter Pfalzgraf Gaidekki – waren vorgeprescht und hatten Gebüsch und welkes Wintergras in Brand gesetzt. Öliger Rauch stieg zum Himmel und wehte nach Südosten. Einige Mastodonten gerieten in Panik und verursachten einen Tumult unter den Hetmännern von König Pilaskanda. Die meisten aber brachen durch den Rauch und stampften trompetend mitten unter die Inrithi. Bald war kaum noch etwas zu erkennen. Chaos umgab das Banner des Kriegerpropheten.
Überall entlang der Kampflinie tauchten Reiter der Fanim in prachtvollen Divisionen auf den Hügeln auf, brachen aus Zitronen-Wäldchen oder galoppierten aus dem wehenden Rauch der Schlacht hervor. Der große Cinganjehoi, der die stolzen Granden von Eumarna und Jurisada anführte, stürzte sich auf die Fußsoldaten der Ainoni, also auf die
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