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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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General Sompas seinem Beispiel: »Hussaa! Hu-hu-hussaa!«
    Das war eine Verballhornung des traditionellen Beifallsrufs der Nansur. Das Gelächter setzte zögerlich ein, dröhnte aber binnen Sekunden durch den ganzen Saal.
    Der Rat der Hohen und Niederen Herren hatte eine Entscheidung getroffen.
    Mit purpurn in der Sonne schimmerndem Gewand kam der Hochmeister der Scharlachspitzen zwei Schritte auf sie zu. »Ihr werdet ihn ausliefern«, wiederholte er düster.
    »Sarcellus!«, rief Incheiri Gotian und schwang ein Chorum in der Linken. »Töte ihn! Töte den falschen Propheten!«
    Doch Cnaiür war schon zum Baum gehetzt, fuhr nun herum und baute sich ein paar Schritte vor dem Tempelritter auf.
    Sarcellus senkte sein Schwert und öffnete kameradschaftlich die Arme. Hinter ihm drängte sich die Menge. Der ganze Kaiaul war ein einziges Geschrei, das die Luft zittern ließ. Lächelnd trat der Tempelritter näher und machte genau mit dem Abstand Halt, wo er noch vor jedem plötzlichen Ausfall seines Gegners sicher war.
    »Wir beide beten zum gleichen Gott, Scylvendi.«
    Es war nun fast windstill und umgehend heiß geworden. Cnaiür hatte den Eindruck, verwesendes Fleisch zu riechen, vermischt mit dem bitteren Saft von Eukalyptusblättern.
    »Das hier«, sagte er ruhig, »ist alles, was ich anbete.«
    Ruhe sanft, süße Serwë…
    Er griff seine Tunika am blutigen Kragen, riss sie bis zur Hüfte auf und hob sein Breitschwert.
    … denn ich werde dich rächen.
    Hinter Sarcellus riefen sich Gotian und Eleäzaras etwas zu. Die Javreh griffen die Tempelritter an, die einen Ring gebildet hatten, um die Kriegersklaven der Scharlachspitzen und die tobenden Inrithi in Schach zu halten. Die Tempel und Klöster des Platzes vermittelten über dem Dunst des Geschehens eine seltsame Gelassenheit.
    Cnaiür grinste, wie nur ein Häuptling der Utemot grinsen konnte. Es schien, als hätte er der Welt die Schwertspitze ans Kinn gesetzt.
    Alle hier litten bitteren Hunger.
    Cnaiür begriff, dass alles genau so passierte, wie es der wahnsinnige Schachzug des Dûnyain vorgesehen hatte. Welchen Unterschied machte es schon, ob er jetzt am Baum umkam oder in ein paar Tagen, wenn der Padirajah schließlich die Mauern überrennen würde? Also hatte er sich in dem Wissen gefangen nehmen lassen, dass keiner unschuldiger ist als ein Beschuldigter, der seine Ankläger bloßstellt.
    Und in dem Wissen, dass er im Fall seines Überlebens…
    Das Geheimnis des Kampfs!
    Sarcellus ließ sein Langschwert einige Male effektvoll durch die Luft fahren. Seine Arme stießen vor wie von einem Katapult geschleudert.
    Cnaiür blieb reglos. Er war ein Scylvendi, ein Wilder der dunklen nördlichen Ebenen – der grausamste Mensch auf Erden.
    Er schüttelte die bronzenen Glieder.
    »Gleich wirst du vor Angst zittern«, sagte Sarcellus.
    »Ich hab dich schon mal aufgeschlitzt«, gab Cnaiür zurück.
    Er konnte die hochroten Linien nun deutlich im Gesicht des Tempelritters erkennen. Endlich begriff er, dass es sich dabei um Stoßkanten handelte, um Bruchstellen eines Gesichts, das er schon mal zersprengt gesehen hatte.
    Schreie drangen zum Himmel, und tausende von erhobenen Fäusten waren zu sehen.
    Nur noch wenige Atemzüge trennten sie.
    Ihre Schwerter fuhren durch die Luft, berührten sich leicht, umkreisten sich, berührten sich wieder. Wirbelnde Geometrien und dazu das Stakkato, mit dem Stahl auf Stahl prallte. Sprung, Hocke, Ausfall – mit der Anmut eines Tieres schlug der Scylvendi auf das Scheusal ein und drängte es zurück. Doch das Schwert des Tempelritters war Hexenwerk und blendete die Luft.
    Cnaiür wich zurück, atmete tief ein und schüttelte Schweiß aus seiner Mähne.
    »Menschen sind Hunde«, flüsterte Sarcellus und lachte, ohne im Mindesten außer Atem zu sein. »Wir dagegen sind Wölfe im Wald, Löwen in der Steppe und Haie im Meer.«
    Cnaiür attackierte, machte eine Finte und brachte dann eine atemberaubende Parade an, doch der Tempelritter wich ihm aus und ließ die Wucht seines Schwerthiebs ins Leere gehen.
    Mit ihren Klingen zeichneten sie Kreise und Punkte in die Luft und attackierten hier und da probeweise. Dann knallten die Hefte ihrer Schwerter zusammen, und die beiden drückten gegeneinander und umkreisten sich lauernd. Cnaiür schob, so fest er konnte, doch sein Gegner zeigte keine Reaktion.
    Der Scylvendi wäre fast auf Blättern und Kieseln ausgerutscht. Flüchtig nahm er den Umiaki wahr, dessen höchste Äste die Sonne zu berühren

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