Der Prinz von Atrithau
oberen Rängen herunter: »Er sagt, wir müssen erst darüber sprechen, diesen Ort zu verlassen, und unbedingt fliehen.«
Einander überlagernde Rufe – teils Vorwürfe, teils Zustimmung – schwirrten durch die feuchte Luft. Skaiyelts riesiger Berater Yalgrota sprang auf, hämmerte sich auf die Brust und stieß Drohungen aus. Schrumpfköpfe der Sranc tanzten ihm wie Quasten an der Taille. Unerklärlicherweise begann Skaiyelt, mit der Fußspitze gegen den Boden zu treten. Dann kauerte er sich mit dem Messer nieder, stand wieder auf und reckte im Schein des Feuers etwas in die Höhe. Hunderten blieb fast die Luft weg.
Er hatte einen Schädel in der Hand, der zur Hälfte mit Erde gefüllt, zur Hälfte von einem alten Hieb zertrümmert war.
»Weät«, sagte er langsam, »dau hara mût keflinga.«
Die Toten kommen an die Oberfläche wie Ertrunkene… Wie, dachte Kellhus, kann das möglich sein?
Aber er musste sich auf die praktischen Rätsel konzentrieren – nicht auf die, die den Boden betrafen.
Skaiyelt warf den Schädel ins Feuer und sah die anderen Hohen Herren wütend an. Die Debatte ging weiter, und einer nach dem anderen willigte ein, obwohl Chepheramunni sich erst weigerte, die Geschichte zu glauben. Selbst Ikurei Conphas gab klaglos nach. Während des Streitgesprächs wanderten einige Blicke zu Kellhus, aber niemand bat um seine Meinung. Kurz darauf erklärte Proyas, der Heilige Krieg werde Mengedda und seine verfluchten Ebenen am nächsten Morgen verlassen.
Die Männer des Stoßzahns bekundeten teils Erstaunen, teils Erleichterung.
Die Aufmerksamkeit galt damit wieder dem alten Cumor, der nun – sei es aus Verwirrung, sei es, um weiteren Störungen vorzubeugen – ganz auf die gilgallischen Riten verzichtete und sich direkt vor Saubon stellte. Die anderen Priester schienen beinahe fassungslos.
»Knie nieder«, rief der Alte mit zittriger Stimme.
Saubon tat, wie ihm geheißen, zischte zuvor aber: »Gotian! Er hat den Angriff geführt!«
»Du bist es, Coithus Saubon«, gab Cumor so leise zurück, dass ihn nur wenige hören konnten. »Du… Viele haben es gesehen – haben ihn gesehen, den Schildbrecher, den ruhmreichen Gilgaöl… Er hat durch deine Augen gesehen und mit deinen Gliedern gekämpft!«
»Nein…«
Cumor lächelte und zog einen Reif aus Dorn- und Olivenzweigen aus seinem wallenden rechten Ärmel. Von vereinzeltem Husten abgesehen, herrschte bei den Inrithi atemlose Stille. Mit der wackligen Sanftheit eines alten Mannes drückte er Saubon den Reif auf den Kopf. Dann machte der Kultpriester von Gilgaöl einen Schritt zurück und rief: »Erhebe dich, Coithus Saubon, Prinz von Galeoth… Schlacht-Zelebrant!«
Erneut jubelte die Menge begeistert. Saubon zwang sich auf die Beine, tat dies aber so langsam wie jemand, der gerade einen ungeheuer anstrengenden Wettlauf hinter sich gebracht hat. Einen Moment lang ließ er den Blick ungläubig schweifen und wandte sich dann ohne Vorwarnung an Kellhus. Im Schein des Feuers glänzten Tränen auf seinen Wangen, und sein glatt rasiertes Gesicht war noch immer von den Schnitten und blauen Flecken gezeichnet, die er sich fünf Tage zuvor zugezogen hatte.
Warum?, fragte sein gequälter Blick. Ich verdiene das nicht!
Kellhus lächelte traurig und verbeugte sich so tief, wie das Jnan es in Gegenwart des Schlacht-Zelebranten verlangte. Er beherrschte ihre rohen Sitten inzwischen nicht nur, sondern hatte sogar die feinen Gesten gelernt, die das Schickliche ins Erhabene verwandelten. Er kannte jeden ihrer Fingerzeige.
Das Gebrüll wurde ohrenbetäubend. Sie alle waren Zeugen dieses Blickwechsels geworden, und sie alle hatten von Saubons Wallfahrt zu Kellhus gehört – davon, dass er den Prinzen aus Atrithau in den Trümmern eines Heiligtums aufgesucht hatte.
Es geschieht, Vater. Es geschieht.
Aber der donnernde Jubel geriet plötzlich ins Stocken und verlor sich in einem Gewirr fragender Stimmen. Kellhus sah Ikurei Conphas nicht weit von Saubon entfernt beim Feuer stehen. Erst jetzt waren seine Rufe zu vernehmen.
»Ihr Narren!«, schimpfte er. »Ihr Vollidioten! Wollt ihr diesen Mann ehren? Wollt ihr Taten feiern, denen beinahe der gesamte Heilige Krieg zum Opfer gefallen wäre?«
Eine Woge von Buhrufen und spöttischen Bemerkungen lief durch das Amphitheater.
»Coithus Saubon, Schlacht-Zelebrant«, rief Conphas verächtlich und brachte es irgendwie fertig, den Lärm zu stillen. »Narren-Zelebrant nenne ich so einen! Dieser Mann hätte fast dafür
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