Der Prinz von Atrithau
gegangen – sogar wenn sie bei Beratungen am gleichen Feuer gesessen hatten. Auf dem Schlachtfeld musste etwas geschehen sein, das schwerer wog als der Verlust von Landsleuten oder der Beschluss, die Tempelritter ins Verderben zu schicken.
Das war eine Gelegenheit.
Kellhus bemerkte, dass Sarcellus seinen Platz verlassen hatte und bei einer kleinen Gruppe von Tempelpriestern stand, die sich daranmachten, Gotian bei den Eröffnungsriten zu unterstützen. Das Stimmengewirr verhallte.
Der Hochmeister begann mit einem Reinigungsgebet, das Kellhus aus dem Traktat kannte. Dann sprach er eine Zeit lang über Inri Sejenus, den Letzten Propheten, und was es bedeute, Inrithi zu sein. »Wer die Dunkelheit in seinem Herzen bereut«, zitierte er aus dem Buch der Gelehrten, »der hebe den Stoßzahn und folge.« Inrithi zu sein, bedeute Anhänger von Inri Sejenus zu sein, erinnerte er sie. Und seine treuesten Anhänger seien die, die in seine heiligen Fußstapfen träten.
»Shimeh«, sagte er mit reiner, weit hallender Stimme. »Shimeh ist nah, sehr nah, denn wir sind mit dem Schwert an einem Tag weiter gekommen als mit den Füßen in zwei Jahren…«
»Oder mit der Zunge!«, schrie ein Witzbold, dem herzliches Gelächter antwortete.
»Vor vier Tagen«, erklärte Gotian, »habe ich eine Botschaft an Maithanet gesandt, unseren Tempelvorsteher und erhabenen Vater des Heiligen Kriegs.« Er hielt inne. Bis auf das Knacken des Feuers war alles still. Seine Hände, die er sich verletzt hatte, als er die Gefallenen durchs messerscharfe Gras zog, waren noch immer verbunden.
»Diese Botschaft«, fuhr er fort, »bestand nur aus einem Wort, einem einzigen Wort, denn meine Finger bluten noch immer!«
Vereinzelte Schreie drangen aus der Menge. Der Schlachtruf der Tempelritter war bereits legendär.
»Triumph!«, rief Gotian nun.
»Triumph!!!«
Die Männer des Stoßzahns brachen in Jubel aus, brüllten und johlten, und einige weinten sogar. Die im Sternenlicht nur vage ringsum auszumachenden Erdhügel und Trümmer von Mengedda schienen zu zittern.
Doch Kellhus blieb stumm. Er blickte zu Sarcellus, der ihm den Rücken halb zugekehrt hatte, und bemerkte… Unstimmigkeiten. Lächelnd und im Schein des Feuers und im Gold und Weiß seines Gewands prächtig anzuschauen, bedeutete Gotian der Menge, sich zu setzen. Dann forderte er sie auf, ins Tempelgebet einzustimmen.
Gnädiger Gott der Götter, der du unter uns umhergehst, endlos sind deine heiligen Namen…
Diese Worte klangen aus tausenden Kehlen und brachten die Luft zum Vibrieren. Der Boden selbst schien zu sprechen… Kellhus hingegen sah nur Sarcellus – und seine Unterschiede. Seine Haltung, seine Größe, sein Körperbau, sogar der Glanz seines schwarzen Haars: All das war unmerklich anders als zuvor.
Das ist ein Ersatz!
Der ursprüngliche Hautkundschafter ist getötet worden, begriff Kellhus. Die strategische Position aber, die Sarcellus bedeutet, wurde nicht geräumt. Sein Tod ist ohne Zeugen erfolgt. Sie haben ihn einfach ersetzt.
Seltsam, dass jemand nichts anderes als eine strategische Position sein konnte.
… dein Name ist Macht,
Ehre und Wahrheit,
jetzt und immerfort
und von Zeitalter zu Zeitalter.
Nach der Reinigungszeremonie zogen Gotian und Sarcellus sich zurück. Daraufhin erhoben sich die gilgallischen Priester in ihren reich geschmückten Kettenhemden, um den Schlacht-Zelebranten zu verkünden, denjenigen also, den der furchtbare Kriegsgott vor fünf Tagen in der Schlacht zu seinem Instrument erwählt hatte. Die Menge verstummte erwartungsvoll. Xinemus hatte Stunden zuvor Kellhus gegenüber beklagt, die Wahl des Schlacht-Zelebranten sei Gegenstand zahlreicher Wetten, als handele es sich dabei um eine Lotterie und nicht um eine göttliche Entscheidung. Ein älterer Mann, dessen eckig geschnittener Bart weiß wie Raureif war, trat vor die anderen. Es war Cumor, der Kultpriester von Gilgaöl. Doch ehe er beginnen konnte, sprang Prinz Skaiyelt auf und rief: »Weät firlik peor kaflang dau hara mausrot!« Dann wandte er sich vom Adel ab und den vielen zu, zwischen denen Kellhus stand. Sein langes blondes Haupthaar und sein Bart flossen ihm über Brust und Rücken. »Weät dau hara mût keflinga! Keflinga!«
Cumor geiferte empört und unverständlich, und alle wandten sich zu Skaiyelts Thunyeri, um zu hören, was der Prinz rief. Seine Übersetzer aber waren offenbar nicht aufzutreiben.
Schließlich rief einer von Gothyelks Männern in Scheyisch von den
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