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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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habe der General zu tief ins Glas geschaut, doch Martemus wurde nie richtig betrunken. »Wen? Die Konkubine?«, fragte er.
    Conphas lächelte freundlich. Gemeine Soldaten nannten diese Standarte gewöhnlich die Konkubine, weil sie traditionell im Zelt des Oberbefehlshabers aufgestellt werden musste. Conphas hatte diesen Namen immer sehr belustigend gefunden. »Ja«, sagte er, »die Konkubine.«
    Der General zuckte die Achseln. »Welcher Offizier hätte das nicht?«
    »Und der Stoßzahn? Hast du dir den schon mal genau angesehen?«
    Martemus zog die Brauen hoch. »Ja.«
    »Wirklich?«, rief Conphas, denn er hatte den Stoßzahn noch nie gesehen. »Wann das denn?«
    »Als Kind. Damals war Psailas II. Tempelvorsteher. Mein Vater nahm mich zu seinem Bruder mit, zu meinem Onkel also, der eine Zeit lang Ordonanz in der Junriüma war. Dieser Onkel hat mir den Stoßzahn gezeigt.«
    »Tatsächlich? Und was hast du dabei empfunden?«
    Der General sah in seinen Weinkelch, den er in dicken Fingern hielt. »Ich kann mich kaum erinnern… Ehrfurcht vermutlich.«
    »Ehrfurcht?«
    »Ich weiß, dass mir die Ohren klangen. Und dass ich zitterte… Mein Onkel sagte, ich solle mich fürchten, denn der Stoßzahn sei mit weit größeren Dingen verbunden.« Der General lächelte und ließ seine klaren braunen Augen auf Conphas ruhen. »Ich fragte ihn, ob er ein Mastodon meine, und er verpasste mir direkt vor dem Allerheiligsten eine Ohrfeige.«
    Conphas tat amüsiert. »Tja, das Allerheiligste…« Er nahm einen großen Schluck Wein und genoss seinen vollen, fast betäubenden Geschmack. Es war viele Jahre her, dass er von Skauras’ Privatvorrat gekostet hatte. Er konnte noch immer kaum glauben, dass der alte Schakal besiegt worden war – und dann noch von Coithus Saubon… Er hatte wirklich gemeint, was er sagte: Die Götter begünstigten die Geistesschwachen. Männer wie Conphas hingegen prüften sie. Männer, die waren wie sie selbst…
    »Sag mal, Martemus, wenn du dein Leben opfern müsstest, um die Konkubine oder den Stoßzahn zu verteidigen – wofür würdest du dich entscheiden?«
    »Für die Konkubine«, sagte der General ohne jedes Zögern.
    »Und warum?«
    Wieder zuckte Martemus die Achseln. »Aus Gewohnheit.«
    Conphas johlte beinahe auf. Das war wirklich lustig. Aus Gewohnheit – also aus der selbstverständlichsten Gewissheit heraus, die es gab!
    Er hielt inne, sammelte sich kurz und fragte: »Dieser Prinz Kellhus von Atrithau – was hältst du von ihm?«
    Martemus blickte finster und beugte sich vor. Conphas hatte sich mal den Spaß gemacht, sich immer wieder vorzubeugen und zurückzulehnen und dabei darauf zu achten, wie Martemus stets entsprechend reagiert hatte, als müssten ihre Gesichter immer in einer bestimmten Entfernung voneinander sein. In so mancher Hinsicht war Martemus schon seltsam.
    »Er ist intelligent«, sagte der General nun, »ein guter Redner und völlig verarmt. Warum fragt Ihr?«
    Conphas war noch unschlüssig und taxierte seinen Untergebenen daher einen Moment lang. Martemus war unbewaffnet, wie es bei vertraulichen Gesprächen mit Mitgliedern der kaiserlichen Familie Sitte war, und trug nur einen schlichten roten Kittel. Er bemüht sich nicht, mich zu beeindrucken, dachte Conphas – genau das ist es, was seine Meinung so unbezahlbar macht.
    »Es ist wohl Zeit, dir ein kleines Geheimnis zu verraten, Martemus… Erinnerst du dich an Skeaös?«
    »Den Obersten Berater des Kaisers? Was ist mit ihm?«
    »Er war Kundschafter – Kundschafter der Cishaurim… Mein Onkel, der stets darauf erpicht ist, seine Ängste bestätigt zu bekommen, merkte bei der letzten Zusammenkunft der Hohen Herren auf den Andiamin-Höhen, dass Prinz Kellhus seltsam interessiert an Skeaös war. Und wie du weißt, gehört unser Kaiser nicht zu denen, die lange über ihre Verdächtigungen nachgrübeln.«
    Martemus wurde bleich vor Entsetzen. Conphas konnte seine Gedanken beinahe lesen: Skeaös ist ein Kundschafter der Cishaurim gewesen? Und das soll ein kleines Geheimnis sein?
    »Hat Skeaös denn zugegeben, für die Cishaurim zu arbeiten?«
    Der Oberbefehlshaber schüttelte den Kopf. »Das brauchte er nicht. Er war… eine Art Scheußlichkeit, eine gesichtslose Scheußlichkeit von einer Sorte, die die Kaiserlichen Ordensleute nicht entdecken konnten… Und das heißt natürlich, dass er zu den Cishaurim gehört haben muss.«
    »Gesichtslos?«
    Conphas blinzelte und sah zum tausendsten Mal, wie sich das so vertraute Gesicht von

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