Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
Vom Netzwerk:
Streitwagen aus Shigek, gegen Männer aus Kyranae in Bronzerüstungen und steigbügellose Scylvendi, gegen Sranc, Bashrags und sogar – wie einige beharrlich versicherten – gegen Wracu, gegen Drachen also.
    Als das Lager an die Ruinen von Mengedda verlegt wurde, damit der Wind nicht länger den Leichengeruch herantrug, verstärkten sich die Alpträume nur. Einige behaupteten nun, sie hätten von der jüngsten Schlacht gegen die Kianene geträumt und seien erneut von den Cishaurim verbrannt worden oder unter den Schwerthieben der blutrünstigen Fanim gefallen. Es war, als habe der Boden die letzten Eindrücke der Gefallenen gehortet und flüstere sie den Überlebenden Nacht für Nacht ein. Viele wollten nicht mehr schlafen – vor allem, seit ein Lehnsmann der Tydonni eines Morgens tot auf seinem Strohsack lag. Und einige, darunter Achamian, waren sogar geflohen.
    Dann begannen Messer, Münzen, zerbrochene Helme und Knochen aufzutauchen, als würde die Erde sie langsam ausspeien. Erst sahen diese Dinge nur vereinzelt, dann immer öfter morgens aus dem Rasen – und zwar an Orten, wo sie tags zuvor unmöglich hatten übersehen werden können. Nachdem ein Mann sich den großen Zeh angestoßen hatte, fand er unter den Binsen seines Zelts angeblich das Skelett eines Kindes.
    Kellhus hatte nichts geträumt, doch er hatte die Knochen gesehen. Zwei Tage zuvor hatte Gotian die Legenden, die sich um das Schlachtfeld rankten, im kleinen Kreis erläutert und die Ansicht vertreten, der Boden hier habe im Laufe der Jahrtausende zu viel Blut aufgenommen. Wie Wasser mit zu hohem Salzgehalt müsse die Erde das alte Blut erst ausstoßen, um neues Blut trinken zu können. Das Schlachtfeld sei verflucht, doch solange ihr Glaube standhaft bleibe, bräuchten sie nicht um ihr Seelenheil zu fürchten. Proyas und Gothyelk, die keine Alpträume hatten, wollten nur ungern weiterziehen, weil die Kuriere, die sie zu Conphas und Chepheramunni gesandt hatten, Mengedda als Treffpunkt benannten und die Bäche der Ruinenstadt das einzige ergiebige Wasservorkommen im Umkreis von drei Tagesmärschen boten. Auch Saubon bestand darauf zu bleiben, wenn auch – wie Kellhus wusste – aus ganz eigenen Gründen. Saubon träumte nämlich. Nur Skaiyelt hatte ihren Abzug gefordert.
    Irgendwie schien das Schlachtfeld selbst ihr Widersacher geworden zu sein. Solche Kämpfe, hatte Xinemus eines Abends am Feuer bemerkt, seien für Philosophen und Priester, nicht für Krieger und Huren.
    Solche Kämpfe, hatte Kellhus gedacht, sollte es einfach nicht geben.
    Seit er die furchtbaren Einzelheiten des Triumphs der Inrithi kannte, bedrängten ihn Fragen, Dilemmata und Rätsel.
    Das Schicksal hatte es zweifellos gut gemeint mit Coithus Saubon – aber nur, weil der Prinz von Galeoth die Tempelritter zu bestrafen gewagt hatte. Nach allem, was man hörte, hatte Gotians so immens verlustreicher Angriff auf die Cishaurim die Grafen und Lehnsmänner des Mittleren Nordens gerettet. Die Geschehnisse hatten sich also genau so entwickelt, wie Kellhus es prophezeit hatte. Genau so.
    Allerdings hatte er gar nichts prophezeit, sondern bloß das Nötige gesagt, um Saubon möglichst zu retten und Sarcellus möglichst zu vernichten. Er war ein Risiko eingegangen.
    Es musste einfach Zufall gewesen sein. Das jedenfalls hatte er sich zunächst eingeredet. Schicksal war nur eine weitere Illusion, in der seine Umgebung befangen war – eine weitere Lüge, derer die Menschen sich bedienten, um ihrer erbärmlichen Hilflosigkeit Sinn abzuringen. Und die Zukunft hielten sie für eine Hure, weil sie keinen bevorzugte, sondern herzzerreißend indifferent war.
    Die Vergangenheit bestimmte die Zukunft… Das war die Grundlage der Wahrscheinlichkeitstrance. Dieses Prinzip machte es möglich, die Umstände mit dem Wort oder mit dem Schwert zu beherrschen, also ein Dûnyain zu sein.
    Ein Initiierter.
    Dann begannen Knochen aus der Erde aufzutauchen. War das nicht ein Beweis dafür, dass der Boden auf das Leid der Menschen reagierte und nicht gleichgültig war? Und wenn selbst die Erde nicht indifferent war, wie konnte die Zukunft es dann sein? Konnte sie etwa die Vergangenheit bestimmen? Vielleicht war die Linie zwischen Vergangenheit und Zukunft weder einsträngig noch gerade, sondern bestand aus vielen Strängen und verlief obendrein kurvenreich und konnte womöglich sogar Schleifen machen, die dem Gesetz von Ursache und Wirkung widersprachen?
    Konnte er der Vorbote sein, wie Achamian so steif

Weitere Kostenlose Bücher