Der Prinzessinnenmörder
Sie für Pläne haben?«
»Nein. Das frage ich Sie nicht. Ich frage Sie, was Sie vermuten.«
»Wenn Sie in meiner Lage wären: Würden Sie der Gegenseite Ihre Vermutungen darüber verraten, was die Gegenseite vorhat?«
»Wohl eher nicht. Dann lassen Sie es mich so ausdrücken: Was immer Sie vermuten, das ich vorhaben könnte – macht es Sinn, dass ich von München hier einfliege und Sie nach jemandem frage, dessen Identität mir ohnehin bekannt ist?«
»Was immer Sie vorhaben – macht es Sinn, mich vierzehn Jahre einzusperren?«
»Wir bewegen uns gerade im Kreis. Warum beantworten Sie mir nicht einfach ein paar Fragen. Ich meine, was haben Sie zu verlieren? Könnte es Ihre Lage verschlimmern?«
»Das kann ich nicht beurteilen. Ich weiß ja nicht, was Sie vorhaben.«
»Gibt es etwas, das Ihre Lage verbessern könnte? Etwas, das ich Ihnen besorgen könnte?«
Ein Lächeln zeigte sich auf Wickedes Lippen.
»Das Gespräch kommt langsam in die richtigen Bahnen.«
»Das heißt, Sie haben sich schon Gedanken gemacht.«
»Ich möchte hier raus und meine alte Stelle als Lehrer wiederhaben.«
»Das geht nicht. Jedenfalls nicht, solange die Ärzte der Ansicht sind, dass Sie hier bleiben sollten. Sie sind krank und müssen behandelt werden.«
»Natürlich.«
Wickede spielte mit dem Teebeutel im Aschenbecher und studierte aufmerksam das Etikett.
»Schlaf- und Nerventee. Lustig, wie? Ich meine, wir sind in einer Nervenheilanstalt. Nerventee – die haben hier Nerventee!«
Wallner zuckte mit den Schultern.
»Offen gesagt – ich hab ihn mir selbst ausgesucht. Das hinterlässt beim Personal so einen – wie soll ich sagen – einsichtigen Eindruck.«
»Verstehe.«
»Ja … es ist immer das Gleiche. Wenn es denn darum geht, die Hosen runterzulassen – da ist dann ziemlich schnell Schluss. Tut uns leid. Geht nicht. Sie sind doch krank, falls Sie das vergessen hatten.« Wickede beugte sich über den Tisch und senkte die Stimme. »Wie soll ich Sie ernst nehmen, wenn Sie nicht bereit sind, mir ein wenig entgegenzukommen?«
»Vielleicht finden wir etwas anderes. Etwas, das wir hier für Sie tun können.«
»Ja, in der Tat …«, Wickede sah scheinbar konzentriert zur Decke. »Da könnte ich mir etwas vorstellen.«
Wallner schwieg. Immerhin war Wickede bereit hierzubleiben. Und was immer er wollte, es war möglicherweise mit etwas Geld zu beschaffen. Wallner war zwar nicht klar, wie dieses Geld verbucht werden sollte. Aber wenn man damit Menschenleben retten konnte, musste man sich etwas einfallen lassen.
»Sie haben Frau Dr.Jochbein kennengelernt.«
»Die Dame, die uns vorgestellt hat.«
»Jawohl. Die attraktive Dame, die uns einander vorgestellt hat. Sie ist nicht nur attraktiv und versteht sich auf ihren Beruf. Sie hat auch eine ausnehmend nette Art. Sehr menschlich. Erstaunlich menschlich. Ich meine, sehen Sie sich um, wo sie arbeitet.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Nun – sehen Sie mich an. Finden Sie mich unattraktiv?«
»Nein, durchaus nicht. Sie sind …«, Wallner suchte nach einem unverfänglichen Wort, »… ein Mann in den besten Jahren.«
»Nicht wahr! Volles Haar, sportliche Figur. Ich hatte durchaus Wirkung auf Frauen, bevor ich hierherkam.«
»Das bezweifle ich nicht. Nur ist mir der Zusammenhang mit unserem Gespräch etwas abhandengekommen.«
»Könnten Sie sich vorstellen, dass Frau Dr.Jochbein mich begehrt?«
»Sie sind ihr Patient. Ich denke, da verbieten sich solche Gedanken.«
»Ich bitte Sie! Sie haben täglich mit Menschen zu tun, die sich einen Teufel um Verbote scheren. Denken Sie mal in menschlichen Dimensionen.«
»Die erotischen Phantasien von Frau Dr.Jochbein sind mir natürlich nicht bekannt. Aber vielleicht sagen Sie mir, worauf die Sache hier zusteuert.«
»Was ich sagen will, ist: Es wird Frau Dr.Jochbein vielleicht gar nicht so unangenehm sein, wenn Sie sie bitten, für eine Nacht das Lager mit mir zu teilen.«
Wallner war durchaus schon der Gedanke gekommen, dass Wickede nach vierzehn Jahren geschlossener Abteilung sexuell einiges nachzuholen hatte. Den Besuch einer Prostituierten hätte man kostenstellentechnisch irgendwie hinbekommen. Aber was Wickede da forderte, ging schlicht über alle polizeilichen Möglichkeiten hinaus. In Wallners Gehirn blitzte für eine Mikrosekunde der Gedanke auf, Frau Dr.Jochbein zu fragen, ob sie nicht vielleicht wirklich …
»Ich fürchte, Sie überschätzen meine Möglichkeiten. Der Besuch einer anderen Dame ließe
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