Der Problemmann (German Edition)
legte augenblicklich ihre Hände zurück in den Schoß.
„Was mache ich hier eigentlich?“, fragte sie, als ob jemand da gewesen wäre, um ihr eine Antwort darauf zu geben.
Ihre Stimme hallte von den Wänden zurück und war ihr so laut vorgekommen, dass sie glaubte, lauter als normal gesprochen zu haben. Sollte sie jetzt in Tränen ausbrechen? Es erschien ihr sinnvoll. Sie war verängstigt und einsam. Nichts war zu hören. Absolute Stille legte sich über alles. Das konnte sie noch nie leiden. In der Stadt war es laut und belebt. Sicher war es nicht ungewöhnlich Orte aufzusuchen an denen es ruhiger war, damit sie konzentriert würde arbeiten können. Aber musste es gleich so still sein? Das war alles keine gute Idee gewesen. Was machte sie hier? Diese Frage drehte sich in ihrem Kopf und sie konnte darauf keine Antwort finden. Ganz bestimmt wäre es gut gewesen sofort wieder nach Hause zu fahren. Dort würde Melanie auf sie warten und wäre mit Sicherheit begeistert, wenn Anna ihren Aufenthalt abkürzte. Bei der Abreise hatte sie Anna fest in ihre Arme genommen.
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„Musst du wirklich gehen?“
„Melanie, das hatten wir in den letzten Wochen so oft durchgekaut, ich glaube, ich habe dir zur genüge erklärt warum ich das tue.“
„Aber du wirst mir so sehr fehlen.“
Anna glaubte, dass Melanie jeden Moment eine Träne die Wange hinunter laufen würde. Ihre Augen waren bereits glasig gefüllt.
„Du mir doch auch.“
„Dann bleib doch hier. Den Flug kannst du bestimmt stornieren.“
„Sicher nicht und du weißt das. Ich habe mein letztes Geld dafür aufgebracht nach Italien fliegen zu können. Den Rest werde ich brauchen, um irgendwie vor Ort über die Runden zu kommen.“
„Aber wenn du hier bleibst dann brauchst du auch nicht so viel Geld.“
„Melanie, das geht nicht. Abgesehen davon habe ich meine Wohnung für diese Zeit untervermietet. Das kann ich jetzt auch nicht mehr absagen.“
„Du suchst nach einem Grund mich zu verlassen.“
„Nein, du suchst nach einem Grund mich davon abzubringen.“
Damit war alles gesagt. Ein letztes Mal umarmte sie Melanie, die nun tatsächlich anfangen musste zu weinen. Tom hatte stumm neben den Frauen gestanden. Ihm war es ebenso wenig recht, dass Anna nun für lange Zeit verschwinden würde. Vor allem da man sie nicht erreichen konnte. Sie hatte sich ein Prepaid-Handy besorgt mit einer extrem niedrigen Rate. Daher konnte man Anna nur im Notfall erreichen, beziehungsweise hatte sie das Handy falls ihr etwas passieren sollte und sie Hilfe rufen konnte. Anna hätte das Handy nie benutzt, denn sie konnte kein einziges Wort Italienisch. Was würde es nützen wenn sie in einem Notfall in Deutschland anrief, damit irgendjemand von dort Hilfe organisierte? Es durfte eben kein Notfall eintreten.
Als Tom ihr Anfang Januar seine Schwester vorgestellt hatte, wäre Anna nicht darauf gekommen, wie großzügig Toms Familie sei und sie aus diesem Grund zum arbeiten das Land verlassen würde. Anna mochte Toms Schwester Uta und ihren Mann Oliver von der Sekunde, als beide sie freundschaftlich und wie selbstverständlich ihre Arme weit ausgebreitet hatten. Sie waren unglaublich gastfreundlich und nahmen sie quasi sofort in die Familie auf, obwohl Anna nicht Toms Freundin im herkömmlichen Sinn war. So ein Verhalten kannte Anna nicht aus ihrer Familie. Ihre Mutter war Fremden gegenüber grundsätzlich misstrauisch eingestellt. Anna vermied es neue Partner ihren Eltern vorzustellen, da diesen auf meist eher unfreundliche Weise klar gemacht wurde, dass sie in dieser Familie nichts zu suchen hatten und ein Eindringling waren, den man so schnell nicht akzeptieren würde. Michael war der erste Mann den Anna ihren Eltern bereits nach wenigen Wochen präsentieren wollte. Sie war davon überzeugt, dass er ihr zukünftiger Ehemann werden würde. Der hatte sich jedoch nicht wieder bei ihr gemeldet, ganz so wie Anna es ihm aufgetragen hatte. Er hätte sich allerdings ihrer Meinung nach darüber hinwegsetzen sollen. Leider dachte Anna noch immer viel an ihn und wie gedemütigt sie von seinem Verhalten war. Uta zeigte großes Verständnis für ihre Situation und redete mit Anna, als wären sie langjährige Freundinnen, die sich kurz aus den Augen verloren hatten. Regelmäßig wurde Anna zum Abendessen eingeladen und lernte sogar ein paar von Toms Freunden kennen. Uta und Tom trennten lediglich zwei Jahre und seine größere Schwester hatte ihn schon immer mehr als Kumpel
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