Der Problemmann (German Edition)
mit seiner Ehe hatte. Wäre es in dem Fall gut ihm eine Frau vorzustellen, die wahrscheinlich augenblicklich über ihn herfallen würde? Christian passte zu hundert Prozent in ihr Beuteschema. Groß, gut gebaut, angenehme Statur, äußerst kultiviert und vor allem, und das wäre das aller wichtigste für Anna, war er blond. Anna würde ohne zu zögern anfangen zu sabbern. Nach all dem was sie mit Michael erlebt hatte und dermaßen enttäuscht wie sie war, würde sie sich wahrscheinlich ohne Umwege an seinen Hals werfen. Das konnte Tom weder Anna noch Christian antun, auch wenn es Christian unter Umständen sogar gefallen würde. Aber was hätte das werden sollen? Für Christian wäre es ein Ausrutscher und für Anna eine weitere Kerbe, die ihr das Herz brechen würde.
„Und du?“, fragte er daher.
„Mit Marion natürlich und einem befreundeten Paar.“
„Und amüsierst du dich?“
„Geht so. Nein eigentlich nicht. Ich hasse Silvester und ich hasse so große Partys.“
„Warum seid ihr dann gekommen?“
„Ich hielt es für eine gute Idee. Willst du nicht mitkommen und Marion Hallo sagen?“
„Ach weißt du, sei mir nicht böse, aber ich sollte mal nach meinen Freunden sehen. Sag Marion aber bitte einen schönen Gruß von mir.“
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Marion hatte gerade angefangen sich wohl in der Gegenwart von Walter zu fühlen, als der Countdown angeschlagen wurde und somit ihre Unterhaltung stoppte. Walter griff nach zwei Gläsern Sekt, die auf einem Tablett herum gereicht wurden. Wenig enthusiastisch zählten beide den Countdown laut mit. Als um sie herum alle anfingen zu schreien, sich in die Arme fielen und gegenseitig abküssten, prosteten sich Marion und Walter verlegen zu. Sollte er es wagen sie jetzt tatsächlich zu küssen? Es wäre ja nichts dabei. Das taten schließlich alle. Marion nippte an ihrem Glas, sie sollte besser keinen Alkohol mehr trinken. Walter hingegen leerte sein Glas in einem Zug, um sich Mut zu machen. Er nahm Marion das Glas aus der Hand, die ihn dementsprechend verwirrt ansah, und stellte die Gläser auf dem Tisch vor dem Sofa ab. Ohne sie zu fragen, ob er das tun dürfte, kam er mit seinem Gesicht ganz dicht an ihres und ehe sich beide versahen, drückte er seinen Mund in ihr Gesicht. Er presste seine Lippen geradezu auf ihre, tat jedoch nichts weiter. Er steckte ihr weder seine Zunge in de Mund, was er sich niemals getraut hätte, noch massierte er mit seinen Lippen die ihren. Stetig erhöhte er den Druck, sodass Marion beinahe nach hinten auf das Sofa gefallen wäre. Sie war zwar durchaus überrascht über seine forsche Art, zumal er zuvor so ein Aufhebens um seine Ansprache gemacht hatte, ließ es dennoch geschehen. Denn diese Art Kuss war genau das, wonach sie sich sehnte. Keine unnötige Verteilung von Speichel. Sie musste nicht herausfinden, was er den Abend über gegessen oder getrunken hatte, und würde niemals seine Spucke in ihrem Mund haben müssen. Warum wurde sie noch nie so geküsst? Wieso fiel das bisher niemanden ein es so zu tun? Kein Ekel kroch in ihr hoch. Sie fühlte sich wohl und verschwendete keinen Gedanken daran, dass sie damit Christian betrog. Obgleich dieser Kuss nichts zu bedeuten hatte, es war ein Neujahrskuss, der hier überall verteilt wurde. Darüber konnte niemand gram sein. Hätte Christian es jedoch gewagt sich einer Frau auf diese Weise zu nähern, Marion wäre geradezu dankbar gewesen, dass sie endlich ihren ersehnten Beweis gefunden haben würde.
Kapitel 1 9: Taschenlampe
Im Zimmer war es dunkel. Nur der spärliche Lichtschein der untergehenden Sonne versuchte sich durch die offene Eingangstür zu kämpfen. Es roch leicht muffig und in der Luft schwirrten Staubkörner auf und ab, die sie beim hereinkommen aufgewirbelt hatte. Anna saß in einem Sessel, über den sie auf der Suche nach einem Lichtschalter gestolpert war. Aus lauter Verzweiflung hatte sie sich in ihn gesetzt und versuchte sich an die Lichtverhältnisse im inneren des Hauses zu gewöhnen. Still und regungslos sah sie sich um. Außer der offenstehenden Tür konnte kein Licht das Innere finden, die Fensterläden waren verschlossen. Ihre Hände glitten über breite Armlehnen. Es fühlte sich nach Leder an. Leder das die besten Jahre bereits hinter sich gebracht hatte. Ihre Fingerspitzen ertasteten kleine und größere Risse. Bei einem Loch zuckte sie, riss automatisch beide Hände von den Lehnen, auch wenn sie nur in einer etwas berührt hatte, was ihr merkwürdig erschien und
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