Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde
Straftäter verwende, so würde ich behaupten, dass sie gemischt waren. Da ist weiter nichts dabei, denn so ist es oft mit Motiven.
Ich stand Lennart Geijers kriminalpolitischen Ansichten und nicht zuletzt seiner Meinung zu Sexualverbrechen kritisch gegenüber. Diese Kritik hatte ich bei verschiedenen Gelegenheiten etliche Jahre vor der Geijer-Affäre öffentlich ausgesprochen. Das war kein Geheimnis, am allerwenigsten für Geijer selbst.
Die Gerüchte über private Motive für seine liberalen Ansichten in Sachen Prostitution kannte ich auch. Ich hatte sie oft von Polizisten gehört, die behaupteten, ihn diverse Male bei der Überwachung von Prostituierten in schwer zu erklärenden oder verdächtigen Zusammenhängen gesehen zu haben. Außerdem hatten diverse Prostituierte berichtet, mit ihm Sex gegen Bezahlung gehabt zu haben. Zwei von ihnen hatten mir das sogar persönlich erzählt. Zur Sache gehört auch, dass ich zu diesem Zeitpunkt nicht überzeugt davon war, dass diese Behauptungen der Wahrheit entsprachen. Jedenfalls nicht so überzeugt, wie es Beschuldigungen von solchem Gewicht erfordern würden.
Wenn dieses Thema an meinem Arbeitsplatz angesprochen wurde, was einige Male geschah, pflegte ich einzuwenden, so erinnere ich mich, dass ich jedenfalls nicht neben dem Bett gestanden hätte. Ich wüsste auch von keinem Polizisten, der dies von sich behaupten könne. Dass die Prostituierten, die behaupteten, er sei ihr Kunde gewesen, immer nur das Blatt vom Mund genommen hätten, wenn sie Ärger mit der Polizei gehabt hätten. Sie hätten sich nie freiwillig eingefunden und eine Zeugenaussage angeboten, obwohl sich ihnen im Rahmen etlicher Zuhältereiprozesse Gelegenheit geboten hätte. Wenn ihre Behauptungen gestimmt hätten.
Heute habe ich diese Zweifel abgeschüttelt. Inzwischen bin ich davon überzeugt, dass die Behauptungen zutrafen. Dass Lennart Geijer oft sexuelle Dienste von Prostituierten kaufte, und zwar über viele Jahre hinweg und schon lange bevor er Justizminister wurde. Damit stand er damals allerdings nicht alleine da, nicht einmal unter einflussreichen Politikern.
Diese späteren Erkenntnisse sind allerdings uninteressant. Während meines Gesprächs mit Bratt ist es mir wichtig, die rein sachlichen Grundlagen des Memorandums der Reichspolizeibehörde zu referieren. Dass es sich um Behauptungen handele, dass wir über keine Überwachungsfotos oder Bänder abgehörter Telefongespräche verfügen, die Geijer der Tat überführen würden.
Man muss sich außerdem in Erinnerung rufen – wenn ich jetzt meinen eigenen Motiven auf den Grund gehen will –, dass der Watergate-Skandal vor 35 Jahren eine aktuelle politische Tatsache war und nicht zuletzt Leuten wie mir gegenwärtig, die in den Vorzimmern der Macht arbeiteten. Ich wollte mich nicht auf der falschen Seite in einen öffentlichen Skandal dieses Umfangs hineinziehen lassen, mir war es lieber, das Pressegeheimnis auszunützen, das mir das Grundgesetz garantierte, und von den Konsequenzen für den ehemaligen Justizminister, der viele Jahre lang mein höchster Chef gewesen war, sah ich ab. Der höchste Chef meines höchsten Chefs, wenn man genau sein will.
Meine Worte im Gespräch mit Peter Bratt entsprachen außerdem der Wahrheit. Ich erzählte nichts, wovon ich nicht überzeugt gewesen wäre, und ich gestattete es meiner Fantasie nicht, eventuelle Lücken auszufüllen. Ich bestätigte, dass der Reichspolizeichef dem Ministerpräsidenten ein Memorandum übergeben habe, und beschrieb in knappen Worten, worum es darin ging. Dass dies der Wahrheit entsprach, wusste ich mit Sicherheit, obwohl ich Carl Persson nicht begleitete, als er Olof Palme das Memorandum Ende August 1976 übergab. Ein paar Wochen vor der Wahl und über ein Jahr vor der Enthüllung bei Dagens Nyheter .
So weit finde ich meine Motive in moralischer Hinsicht akzeptabel. Ich würde sie deswegen aber nicht als edel bezeichnen. Mir war natürlich vollkommen bewusst, welche persönlichen Konsequenzen die Sache für Lennart Geijer haben würde, und da ich immer noch Zweifel hegte, gab es auch moralische Argumente, die gegen mein Handeln gesprochen hätten. Gründe, denen ich mich nicht einfach entziehen konnte, indem ich Peter Bratt erläuterte, dass die sachliche Substanz des Verdachts gegen Geijer alles andere als hundertprozentig sei.
In dieser Beziehung war ich nicht naiv. Ich war mir ganz im Gegenteil vollkommen bewusst, dass das, was ich da bestätigte, die Anforderungen an
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