Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde
Das Taxi bringt mich zum Studio und wieder nach Hause. Mein Rollstuhl hat mich etwas Wesentliches über das Leben gelehrt. Bald kann ich ihn verlassen. Ich gehe mit Hilfe von Krücken und im Sommer dann fast wieder normal. Im Unterschied zu Leuten, die ihr ganzes Leben im Rollstuhl sitzen. Es gibt einige Dinge in meinem Leben, für die es dankbar zu sein gilt, und manchmal brauche ich leider Hilfe, um mich wieder an sie zu erinnern. Wie an das Glück, stehen und mit Hilfe der eigenen Beine gehen zu können.
Und so ist es seither weitergegangen. Ich überschlage mich mit dem Auto, sause geradewegs in die Natur und fälle dabei einige Bäume. Der Wagen ist Schrott. Trotzdem kann ich die Notaufnahme noch am selben Nachmittag verlassen. Natürlich nur auf eigene Verantwortung.
Mein Dackel treibt im Winter Rehe, bricht im Eis ein, und als sein Herrchen versucht, ihn rauszuziehen, ertrinkt er beinahe selbst, während sein treuer Hund, der aus eigener Kraft wieder festes Eis erreicht hat, bekümmert mit zur Seite geneigtem Kopf und schlappen Ohren zuschaut.
Ich bin in einen Holzsplitter getreten. Die Wunde entzündet sich, eitert, der Fuß schwillt stark an. Ich habe Mühe beim Gehen. Ich operiere mich selbst, damit mir ein unnötiger Krankenhausbesuch erspart bleibt. Mit Erfolg. Die Wunde verheilt gut. Sogar die Narbe gerät recht hübsch. Das bestärkt mich in der Überzeugung, dass ich auch ohne die traditionelle Heilkunst zurechtkomme.
Mit dem Gewicht ist es wie immer. Nach Weihnachten und Neujahr wiege ich dreißig Kilo mehr als im Sommer, nachdem ich ein halbes Jahr vollkommen nüchtern gewesen bin, normal gegessen und wie ein Irrer gearbeitet habe. Dann ist es jedoch wieder an der Zeit, das Leben zu genießen. Das Pendel schwingt, und das Leben ist schön.
Im Frühjahr 2001 stirbt mein Vater. Das ist keine Überraschung, denn er war lange krank, aber ich sehe ein, dass man sich auf bestimmte Dinge nicht vorbereiten kann. Der Tod meines Vaters geht mir sehr nahe. Ich bin vollkommen fassungslos. Es gibt, wie ich es sehe, immer weniger Gründe zum Weiterleben.
Im Herbst 2001 reicht es meiner zukünftigen Ehefrau Kim, und sie verlässt mich. Die Beschreibung meines Lebens dürfte als Erklärung ausreichen. Jetzt komme ich auch endlich zur Besinnung. Da ich immer noch am Leben bin und da ich sie liebe, ist es höchste Zeit, etwas zu unternehmen. Dass ich mich unverzüglich zusammenreiße, mit dem Saufen aufhöre beispielsweise, obwohl es noch drei Monate bis zum Neujahrstag sind, an dem ich für gewöhnlich die abstinente Phase einleite.
Die Liebe ist stark, nicht stärker als der Tod, aber in meinem Fall stark genug, um zu bewirken, dass ich mich zwei Jahre lang zusammenreiße, obwohl ich sie bereits nach einigen Monaten zurückgewonnen habe. Die Liebe ist sogar so stark, dass ich Mitglied der Weight Watchers in Hallstavik im nördlichen Roslagen werde. Sollte ich einmal eine längere Zeit munterer Stimmung sein, dann schreibe ich einen Roman über meine Zeit bei den Weight Watchers. Versprochen! Will man einen pikaresken Roman über den Anfang des neuen Millenniums schreiben, dann gibt es keinen besseren Stoff, um die Zeit und die Menschen, die in ihr leben, zu spiegeln. Ich warte eigentlich nur noch auf die richtige Gemütsverfassung.
Dreikönigstag 2004. Seit einigen Jahren sieht alles viel besser aus. Ein halbes Jahr zuvor habe ich Kim geheiratet, ich trinke weniger und esse weniger und außerdem gesünder. Mein Gewicht liegt konstant bei rund neunzig Kilo, das ist weit entfernt von den 146 kg, die ich im Herbst drei Jahre zuvor wog.
Ich bin zeitig zu Bett gegangen. Kim ist noch auf und sieht fern. Ich finde, dass es mir recht gut geht, zumindest geht es mir nicht schlechter als sonst. Ich schlafe ein und erwache am Tag darauf auf der Intensivstation des Karolinska Sjukhuset mit Schläuchen in allen üblichen Körperöffnungen. Außerdem Kabel und dünne Schläuche in zusätzlichen Körperöffnungen, zu denen man mir im Laufe der Nacht verholfen hat.
Am Spätabend habe ich einen Schlaganfall erlitten. Ich verliere das Bewusstsein und höre auf zu atmen. Es gelingt Kim, mich wiederzubeleben – ich möchte lieber nicht wissen, wie –, und der Krankenwagen ist innerhalb weniger Minuten da. Die ersten Erinnerungen, die sich einstellen, sind der Weg zum Krankenhaus, der Rettungswagen, der Weg in die Notaufnahme. Sie sind chaotisch und fragmentarisch, aber ich weiß noch, dass es ein wahnsinniges Gerenne um die
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