Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde
weigere, an meine Mutter zu denken. Wozu braucht so jemand wie ich überhaupt Ärzte? Schließlich bin ich unsterblich.
In diesem Punkt irre ich leider laut den Weißbekittelten, die sich plötzlich über mein Bett beugen und ihre müden Häupter schütteln. Ich habe dreißig Kilo Übergewicht, ernsthafte Probleme mit dem Herzen und dem Blutdruck, eine Leber wie ein Penner, eine schlechtere Kondition als ein Penner und noch eine Menge anderes, was man aus praktischen Erwägungen erst mal auf sich beruhen lässt. Kurz gesagt bin ich ein medizinisches Rätsel. Gemäß den Maßstäben, die in diesen Zusammenhängen üblich sind, und laut ihrem einstimmigen Urteil müsste ich nämlich tot sein.
Ich beschließe mich zusammenzureißen. In dem guten halben Jahr, das ich krankgeschrieben bin, versuche ich zumindest so zu leben, wie ich das zwanzig Jahre zuvor getan habe. Ich höre auf zu trinken, esse wie normale Leute und trainiere täglich. Bereits im Sommer bin ich wieder munter, dreißig Kilo leichter und langweile mich fast zu Tode. Eine für mich bislang unbekannte Todesursache.
Ich erkläre mich selbst wieder für gesund, höre auf, die Medizin zu nehmen, lebe wieder wie normale Leute, und nach ein paar Monaten ist alles wieder so wie immer. Aber ich lebe. Ich lebe im Großen und Ganzen wie heute fünfzehn Jahre später. Ich lebe mit Hilfe weit ausholender Pendelschläge, die einander kompensieren.
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Elend auf verschiedenen Ebenen
Im Herbst 1997, ein gutes Jahr später, ist alles wie immer. Gegen den nachdrücklichen Rat meines Arztes habe ich aufgehört, meine Medikamente zu nehmen, die Betablocker, die angeblich meinen Blutdruck senken, mein Herz stabilisieren, meine ständigen Kopfschmerzen lindern und meine Angstzustände dämpfen. Ich selbst finde, dass sie mir Albträume verursachen und dass sie meine sexuelle Fähigkeit mindern. Das ist zu viel, also pfeife ich auf die Prioritäten meines Arztes in dieser Hinsicht. Sobald ich die Tabletten abgesetzt habe, kehrt mein normaler guter Appetit wieder. Ich nehme stetig zu, träume nicht mehr, erwache mit einem Steifen und versuche mich so wenig wie möglich zu bewegen. Kurz gesagt geht es mir prima. Damit, dass ich gelegentlich an Atemnot leide, ab und zu Kopfschmerzen bekomme und einen Druck auf der Brust habe, habe ich zu leben gelernt.
Problematisch sind alle Unfälle, die mich plötzlich ereilen. Im Herbst befinde ich mich zur Jagd in den äußeren Schären. Ich rutsche auf einem ganz normalen Felsen aus und verkeile den Fuß in einer Felsspalte, während sich mein Körper noch dreht. Die Lage ist plötzlich richtig übel.
Die Knochen des linken Beins ragen aus dem Stiefelschaft, ein Blutschwall ergießt sich in den Stiefel, aber glücklicherweise bin ich noch klar im Kopf und binde den Stiefel so fest wie nur möglich zu, ziehe mein Handy aus der Tasche, wähle die Notrufnummer und erreiche auch jemanden. Ich erkläre meine Situation und auf welcher Insel ich mich befinde, und man verbindet mich direkt mit dem Rettungshubschrauber.
Eine halbe Stunde später schwebt der Hubschrauber über meinem Kopf. Ich bekomme Morphium, und fünf Minuten später liege ich auf einer Trage im Helikopter auf dem Weg zum Lazarett in Norrtälje, da man nicht riskieren will, dass ich den weiten Weg zum Karolinska Sjukhuset nicht überlebe.
Ob es wehtat? Ja, in der Tat, und zwar so weh, dass ich nicht zu erzählen gedenke, wie weh.
Als ich am nächsten Morgen erwache, liege ich im Bett im Lazarett und starre auf mein Bein, dessen Knochen man im Laufe der Nacht genagelt hat. Ich hänge an einer Infusion mit einem Schmerzmittel, dessen Dosierung ich praktischerweise bei Bedarf selbst erhöhen kann. Ich habe wirklich keinen Grund, mich über die Pflege, die ich bislang genossen habe, zu beklagen.
Zwei Tage später bin ich wieder so munter, dass ich mit Mühe aufstehen und mich in einen Rollstuhl setzen und wie normale Leute die Toilette aufsuchen kann. Im Krankenhaus zu liegen habe ich bereits wieder gründlich satt. Am Tag darauf verlasse ich das Lazarett auf eigene Verantwortung und lasse mich von einem Taxi zu dem Gut bei Knutby bringen, auf dem ich wohne. Alle praktischen Dinge überlasse ich Kim, meiner Haushälterin und dem angestellten Jäger. Mein Leben verläuft wieder halbwegs normal mit dem Unterschied, dass ich vier Monate im Rollstuhl sitze, bis ich auf Krücken herumlaufen kann.
Ich arbeite wieder als Moderator bei der Fernsehsendung »Efterlyst« (Gesucht).
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