Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde
die höhere Schule besuchte. Ich erinnere mich an das große Haus in Dalarna, in dem er in den letzten fünfzig Jahren seines Lebens allein lebte. Er hatte eine Haushälterin, die sich um ihn kümmerte, und das Leben, das er für sich gewählt hatte, schien ihm zu gefallen. Ich erinnere mich an den Duft seiner Zigarren, sein Ehrfurcht gebietendes Alter und an den grünen Geldschrank, der neben seinem Bett in seinem Schlafzimmer stand.
Er abonnierte zwei Tageszeitungen, sowohl Dala-Demokraten als auch Falu-Kuriren . Ich fragte ihn einmal danach, und er antwortete Folgendes:
»Bedenke stets, Leif. Auf diese Leute muss man immer ein Auge haben. Die Politik hier ist ein reines Wespennest. Es spielt keine Rolle, wie sie sich nennen. Sie lügen alle so sehr, dass es nicht einmal nützen würde, ihnen mit Schmierseife den Mund auszuwaschen.«
Es war kein Zufall, dass er einen Riemen um seine dicke Brieftasche wickelte, und besonders politisch interessiert war er nicht. Großvater war ein Mann, der Reaktionen in seinem Umfeld hervorrief, ohne etwas zu unternehmen. Und erst viel später wird dieser Umstand angesichts gewisser Ähnlichkeiten zwischen ihm und mir auch für mich interessant. Bis dahin zucke ich immer nur mit den Achseln, wenn meine Mutter damit anfängt.
62.
Gustaf wie aus dem Gesicht geschnitten
Für diese Worte meiner Mutter gibt es einen Grund, den ich erst sehr viel später realisiere. Sie findet wirklich, dass ich ihrem eigenen Vater gleiche, die Beschreibung hat also gar nichts Doppeldeutiges.
In einem Roman, den meine älteste Tochter geschrieben hat, kommt der Vater der weiblichen Hauptperson vor. Ich habe keine Schwierigkeiten, meine Tochter wiederzuerkennen, sie ist sogar Anwältin wie die Heldin ihres Buches, aber wo sie den Vater der Hauptperson herhat, verstehe ich wirklich nicht.
Er gleicht mir nicht im Geringsten. Er ist eine Person, deren wichtigste Eigenschaft ist, dass sich seine Umgebung auf bestimmte Weise zu ihm verhält, und zwar die ganze Zeit. Manch einer scheut keine Mühe, um es ihm recht zu machen, um nicht sein Missfallen zu erregen, um ihn nicht unnötig zu verärgern. Ein Segler ist er auch. Seine große Leidenschaft, wie es aussieht, und in meinem Fall liegt es über vierzig Jahre zurück, dass ich zuletzt einen Fuß auf ein Segelboot gesetzt habe.
Ich unterhalte mich darüber mit meiner Frau. Wo hat meine Tochter so eine Figur her? Sie hat doch nicht die geringste Ähnlichkeit mit ihrem richtigen Vater. Der Einzige, den ich mir vorstellen kann, ist mein eigener Großvater, obwohl er in seinem ganzen Leben nie gesegelt ist und bereits mehrere Jahre tot war, als meine älteste Tochter zur Welt kam. Ich erzähle meiner Frau auch, dass ich Gustaf wie aus dem Gesicht geschnitten sein soll.
»Sieh mal einer an«, sagt meine Frau. »Trifft doch ganz auf dich zu. Einer, nachdem sich alle richten müssen. Kapierst du das denn nicht?«
»Ich höre«, antworte ich. Aber so gesoffen wie ich hat er nicht, denke ich.
IX.
Die späteren Jahre
63.
Middle Age spät im Leben
Die Lebensmitte setzt bei mir erst spät ein. Ich hatte ganz einfach zu viel zu tun, und mir blieb keine Zeit, mich damit auseinanderzusetzen. Ich habe mich mit allem Erdenklichen beschäftigt, vor allem meine Gesundheit verjubelt, indem ich die ganze Zeit gefeiert habe. Ich habe meine Kerze an beiden Enden angezündet und sicherheitshalber noch in der Mitte. Im Herbst 1996 holt mich das Leben, das ich geführt habe, ein. Es sticht mir in den Rücken und reißt mich um. Ich falle an meinem Arbeitsplatz, in der Polizeihochschule in Stockholm, in Ohnmacht, werde ins Karolinska Krankenhaus gebracht und komme erst auf der Notaufnahme wieder zu mir.
Zum ersten Mal seit der höheren Schule liege ich wieder im Krankenhaus. Damals verschlug es mich zwei Mal dorthin, und auch damals hatte ich keine Wahl. Erst ein Blinddarmdurchbruch und eine Bauchfellentzündung, einige Jahre später ein Bänderriss beim Handball. Vielleicht war es auch Fußball, ich erinnere mich nicht mehr. Nach fast vierzig Jahren lande ich zum dritten Mal in diesem Krankenhaus.
Meine Mutter und ihr ständiges Sterben haben offenbar einen tiefen Eindruck auf mich gemacht, obwohl ich nur mit ihr spreche, wenn ich meinen Vater treffen will. Wenn ich sie in Kauf nehmen muss sozusagen, weil mir nichts anderes übrig bleibt. So ist es, seit ich Abitur gemacht habe und von zu Hause ausgezogen bin. Ich weigere mich, an Krankheiten zu denken, weil ich mich
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