Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde
Amateure betrunken seien.
Seine Behauptung traf sicher nicht zu, und der Unterhaltungswert ist ungeachtet des Wahrheitsgehalts zweifelhaft. Nichtsdestotrotz beherzige ich seine Maßregel seit über zwanzig Jahren und habe sie außerdem noch so ausgedehnt, dass sie sich auch wirklich positiv auf meine Gesundheit auswirkt. Sobald das neue Jahr eingeläutet wird, trete ich aus dem Nebel heraus und in den nüchternen Zustand ein und halte zumindest bis Mai durch, manchmal sogar bis Mittsommer, und nach dem Herbst, in dem mich meine jetzige Ehefrau verließ, blieb ich in der Tat anderthalb Jahre nüchtern. Es ist mir nie schwergefallen aufzuhören. Ich habe nicht einmal unter Entzugserscheinungen gelitten, die der Rede wert gewesen wären. Vielleicht lag das ja daran, dass ich wusste, dass ich recht bald wieder beginnen würde.
Ich trinke, damit es in meinem Kopf still wird. Sonst herrscht dort ein zu großes Chaos. Wenn ich versuche, den Alkohol durch etwas anderes Beruhigendes zu ersetzen, besteht immer die Gefahr, dass ich mich zu Tode arbeite. Während der achtzehn Monate, die ich nüchtern war, schrieb ich zwei Romane, insgesamt 1200 Seiten, vier wissenschaftliche Berichte, zusammengenommen zweihundert Seiten, zwölf Stunden Film- und Fernsehdrehbücher und etwa fünfzig Artikel und Glossen, zusammengenommen gut 1000 Seiten.
Insgesamt 2400 Seiten in 540 Tagen, das ergibt fünf Seiten pro Tag. Zum Schluss dröhnt mein Schädel so sehr, dass ich glaube, verrückt zu werden. Dann bleibt mir nur ein Ausweg, um zu überleben, jener Weg, den ich immer beschreite, wenn mir keine Wahl mehr bleibt. Ich finde ihn immer, egal wie schwarz alles um mich herum ist.
Mir ist klar, dass es Schriftsteller gibt, die trinken, um ihre Fantasie anzuregen, um sich zu befreien, und zwar auf eine Weise, die ihrem Schaffen dient. So bin ich nicht. Ich kann zwar schreiben, wenn ich etwas getrunken habe, also Buchstaben zu Papier bringen, aber es genügt ein halbes Glas, und das, was ich schreibe, wird vollkommen unbegreiflich. Wenn ich etwas schreiben will, das lesenswert oder verständlich ist, dann muss ich nüchtern sein. Wenn ich trinke, dann, damit es in meinem Kopf still wird, und dann habe ich auch nicht mehr die Kraft zu schreiben.
Bald ist es wieder so weit.
66.
Ich träume, stürze, schwebe hoch über der Erde
Ich bin voller Kraft und benötige keine Träume. Ich habe mich verhärtet, mich sogar auf meine schlechtesten Seiten besonnen. Ich habe den äußeren Erfolg errungen, den ich brauche, um die materiellen Bedingungen meines Lebens zu bestimmen. Und nicht nur meines Lebens, auch des Lebens anderer. Wozu brauche ich da Träume?
Dann werde ich krank, und je kränker ich werde, desto mehr träume ich. Während der schlimmsten Zeit werde ich jede Nacht von Albträumen heimgesucht, ich bin meinen Angstzuständen vollkommen ausgeliefert. Bis meine Albträume mich wecken, ich ins Badezimmer wanke und eine von den kleinen weißen Tabletten schlucke, die bewirken, dass mich das, was mit mir geschieht, nicht mehr berührt. Ich stelle mich unter die Dusche und lasse das warme Wasser auf mich herabrieseln, bis ich entschwebe. Recht bald wage ich es dann, mich wieder hinzulegen. Dann schlafe ich ein, traumlos, und hoffentlich lebe ich noch, wenn ich erwache.
Ein Traum kehrt ständig wieder. In diesem Traum falle ich. Ich werde abwärtsgewirbelt, kopfüber, in ein schwarzes Loch, das keinen Boden hat. Ich versuche zu schreien, aber meine Stimme trägt nicht, kein Ton kommt über meine Lippen, wie laut ich auch schreie. Ich fuchtele mit den Armen, greife ins Leere, aber da ist nichts, da ist nur das schwarze Loch, und als ich erwache, sitze ich bereits aufrecht im Bett, und meine Nacken- und Armmuskeln sind vollkommen verspannt, und ich weiß nicht, ob ich lebe oder bereits tot bin.
Ich versuche, die Kontrolle über mein Leben wiederzuerlangen, auch was die Träume betrifft, die ich nicht lenken kann und deren Ursache ich herausfinden möchte, die tatsächlichen Erlebnisse, die mir diesen Traum erklären könnten.
Ich finde eine frühe Kindheitserinnerung. Ich muss etwa sechs Jahre alt sein. Ich erinnere mich zumindest, dass ich noch keine kleine Schwester habe. Meine Mutter und ihr Arzt entscheiden, mir die Mandeln zu entfernen. Das muss es sein, denke ich. Ich rede mir ein, dass der Traum vom Fallen meinem Leben entspringt. Auf diese Weise kann ich ihn begreiflich machen und vielleicht entschärfen, damit ich nicht abstürze,
Weitere Kostenlose Bücher