Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde
Flasche Cognac hätte ich zum Abitur von ihm bekommen sollen, aber dann ist sie fünfzig Jahre liegen geblieben. Irgendwie kam es nie dazu, nicht bei der Dissertation und auch nicht, als ich Professor wurde. Ich bekam sie erst, als meine Mutter starb, und dass sie sie nicht auch verkauft hatte, ist mir ein Rätsel. Vermutlich hatte sie einfach einen schlechten Tag. Bei einer Weinauktion hätte sie einige Tausend für den Cognac bekommen. Jetzt ist die Flasche leer. Der Cognac war ganz ausgezeichnet. Es war ein Martell Cordon Bleu aus meinem Geburtsjahr, dem Friedensjahr 1945.
Der letzte Gegenstand ist Papas goldener Siegelring mit einem Onyx. Papa trug ihn am linken kleinen Finger, wenn er seine feinen Sachen anzog. Da er andere Hände hatte als ich, verliere ich ihn, selbst wenn ich versuche, ihn am rechten Daumen zu tragen. Ich denke nicht daran, ihn verengen zu lassen, denn dann wäre es nicht mehr der Ring meines Vaters. Stattdessen trage ich ihn an einer Halskette. Ich fasse mir mit der linken Hand an den Hals, während ich diesen Text mit der rechten Hand schreibe.
Das Erbe eines Emporkömmlings. Die praktischen Dinge beherrsche ich inzwischen. Seit langem komme ich gut auch mit mehreren Bestecken zurecht. Ich kann mich bei Bedarf korrekt kleiden und auch so auftreten, wie die Konvention es verlangt. Habe ich gute Laune, dann kann ich nett und unterhaltend sein, und ich fühle mich immer seltener so unwohl in meiner Haut, dass der Emporkömmling in mir rumbrüllen und sagen muss, was Sache ist.
Das Rachebedürfnis ist immer noch da, aber mittlerweile kann ich recht gut damit umgehen, obwohl ich immer noch vollkommen unnötigerweise viel zu vielen Idioten begegne.
Ich spreche viel zu oft über das viele Geld, das ich verdient habe, obwohl die meisten meiner jetzigen Freunde viel reicher sind als ich. Da sie eine andere und bessere Erziehung genossen haben, tun sie so, als hörten sie meine Worte nicht.
Gewisse Dinge bereiten mir immer noch Mühe. Wenn sich das schwarze Nichts in meiner Brust plötzlich auftut und ich abstürze, weiß ich nicht, wie ich damit umgehen soll. Meine Heimatlosigkeit quält mich. Mein Gewissen quält mich auch und oft aus Gründen, die nichts mit mir zu tun haben. Meine Angstzustände quälen mich am allermeisten, obwohl ich zu wissen glaube, dass sie nicht durch meinen gesellschaftlichen Aufstieg hervorgerufen werden.
Sie sind das Erbe meiner Mutter, und trotz aller Stunden, Tage und Nächte, die ich darüber gegrübelt habe, warum sie mir ausgerechnet die vermachen musste, zögere ich noch mit der Antwort. Ich bin jedoch mittlerweile davon überzeugt, dass sie die Ursache ist. Ich weiß jedoch nicht, warum, und was ihre Motive angeht, kann man nur Mutmaßungen anstellen.
Meine Mutter war nie krank. Das hat sie sich bestenfalls eingebildet, meistens war es vollkommen aus der Luft gegriffen, obwohl sie sich sicher oft so schlecht fühlte, wie sie vorgab. Mit ihren Krankheiten manipulierte sie ihre Umgebung. Sie setzte ihren Willen durch, ohne ihn aussprechen zu müssen. Sie schadete mir damit bereits, als ich ein kleines Kind war, da ich nicht begriff, was eigentlich los war. Sie raubte mir meine Geborgenheit, und hätte ich meinen Vater nicht gehabt, dann wäre es mir sicher noch bedeutend schlimmer ergangen. Psychische Misshandlung ist oft wirkungsvoller als Fäuste und Gürtel, und am besten wirkt sie bei jemandem, der noch zu klein ist, um etwas zu begreifen.
Warum tat sie das? Ich glaube, weil sie mit ihrem Leben nicht zufrieden war. Ihr Leben war nicht, wie sie es sich vorgestellt und erhofft hatte. Sie war begabt und in die falsche Klasse hineingeboren worden und dort aufgewachsen, und zwar in einer Zeit, die die Begabung solcher Frauen ohne Gegenleistungen ausnutzte. Sie war vom Leben enttäuscht, und als es dann ihrem Sohn an nichts fehlen soll, richtet sich ihre Frustration und Wut gegen diesen. Insbesondere da dieser, sobald sich ihm die Gelegenheit bietet, gegen das vierte Gebot verstößt, sie zu ehren. So sah sie die Dinge. Ich hatte sie verraten. Dass ein Zusammenhang zwischen der Verehrung der Mutter und der Erfüllung ihrer Mutterpflichten bestehen könnte, daran verschwendete sie vermutlich keinen Gedanken. Enttäuschte Menschen vermeiden es, logisch zu denken.
All dies kann ich verstehen, und ich kann zumindest versuchen, es ihr zu verzeihen. Auch die Lügen, derer sie sich bedient, sobald sie merkt, dass ich ihre Krankheit durchschaut habe. So weit kann ich
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