Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde
die Aktentasche mit dem ganzen mit Wurst eingenommenen Geld auf den Beifahrersitz.
»Und das Auto läuft gut?«, fragt Papa und deutet auf den ganzen weiß lackierten Luxus, den sich nicht einmal der Ingenieur leisten kann.
»Wäre ja noch schöner, wenn nicht«, lacht Korv-Larsson und winkt freundlich, als das Auto davongleitet.
Papa und ich gehen schweigend nach Hause. Es dauert eine ganze Weile, bis er wieder etwas sagt.
»Korv-Larsson ist ein ganz listiger Bursche«, sagt Papa. »Er kann es noch ganz weit bringen. Ich halte es nicht für unmöglich, dass er noch einmal so reich wird wie diese Wallenbergs.«
Da ich nicht weiß, wer die Wallenbergs sind, begnüge ich mich damit zu nicken.
Ein Jahr später hat Korv-Larsson seine Bude abgerissen und stattdessen einen kulinarischen Tempel errichten lassen, italenische Architektur, Mauerwerk aus weißem Stein und große Fenster in alle Richtungen. Gärdets Trattoria, das erste italienische Fast-Food-Restaurant des Landes. An gewöhnliche schwedische Wurst ist nicht mehr zu denken. Stattdessen werden dünne Frikadellen serviert, die Pariser heißen, obwohl Paris in Frankreich liegt und nicht in Italien, außerdem Würste, deren Namen sich nicht aussprechen lassen und die brennen, wenn man sie in den Mund steckt. Dazu gibt es lange Kartoffelstreifen, die in Öl frittiert werden, und offenbar Påmm Fritt heißen.
Die Eröffnung ist an einem Sonntag und eine imposante Darbietung. Alle Zeitungen sind da. Korv-Larsson wird fotografiert und interviewt, dann werden die Glasschalter geöffnet. Aus der ganzen Hauptstadt strömen die Leute herbei. Die Schlangen vom Frihamnen und vom Valhallavägen, die sich vor Korv-Larssons neuem, dem Essen geweihten Tempel aufreihen, sind Hunderte von Leuten lang. Es sind immer noch die frühen fünfziger Jahre, es gibt kaum einen Menschen im Land, der den Duft von Påmm Fritt in der Nase gewohnt ist, und von McDonald’s hat überhaupt noch nie jemand gehört.
Nach einer guten Stunde in der Schlange sind Papa und ich an der Reihe. Ich bestelle Pariser mit Påmm Fritt, aber Papa zögert.
»Ich begnüge mich mit einer Wurst mit Brot, wie immer«, sagt Papa. »Dazu Senf aus Schonen, falls es den gibt.«
Korv-Larsson lacht verächtlich und schüttelt den Kopf.
»Damit haben wir aufgehört«, sagt Korv-Larsson. »Jetzt sind neue Zeiten angebrochen. Wie wäre es, wenn Sie unsere Påmm Fritt probieren würden?«
Papa begnügt sich mit einem Kopfnicken. Er will mit Korv-Larsson an dessen großem Tag nicht streiten. Der Mercedes steht auf seinem angestammten Platz. Den hat er also offenbar noch.
Dann essen wir schweigend, während wir langsam auf das Haus, in dem wir wohnen, zugehen. Ich esse meinen Pariser mit den ersten Påmm Fritt meines Lebens, aber Mamas Buletten mit Bratkartoffeln, Zwiebeln und Bratensauce sind viel besser. Papa stochert missmutig in seinen Påmm Fritt herum. Schüttelt den Kopf.
»Korv-Larsson ist größenwahnsinnig«, sagt Papa. »Damit wird er auf die Nase fallen. Was ist denn gegen eine normale Bockwurst mit Brot und Senf einzuwenden?«
Ein Jahr später hat Korv-Larsson Pleite gemacht, und ein anderer Wurstverkäufer hat den Laden übernommen. Es gibt wieder die normale Bockwurst mit Brot und Senf, allerdings auch gegrillte Wurst mit Essiggurkenmayonnaise. Die Påmm Fritt hat er durch Kartoffelbrei ersetzt. Das übrige Sortiment gibt es nicht mehr. Leider ist es für alles zu spät, die Magie ist verschwunden, und nach einigen weiteren Jahren mit ständig wechselnden Eigentümern ist Schwedens erste Trattoria geschlossen, und die Fenster sind vernagelt.
Viel später im Leben denke ich oft an Korv-Larsson. Wäre er genauso reich wie die Wallenbergs geworden, hätte ich sicher davon gehört, ich wäre vielleicht sogar zusammen mit seinen Söhnen auf die Jagd gegangen, aber trotzdem erinnere ich mich an ihn, und er fehlt mir. Korv-Larsson war ein Visionär, ein Unternehmer, der das Pech hatte, seiner Zeit mit seinen Ideen so weit voraus zu sein, dass es ihm nicht einmal gelang, im Schweden der sechziger Jahre Hamburgerkönig zu werden.
Etwa fünfzig Jahre später unterhalte ich mich mit Papa über ihn. Papa liegt seit einem Monat im Krankenhaus. Es geht ihm schlecht, und seine Gedanken schweifen ab, und zwar meist in meine Kindheit. Zu den Tagen, an denen wir mehr Zeit miteinander verbrachten als während der gesamten darauffolgenden Jahre.
»Ich frage mich, was aus Korv-Larsson geworden ist«, sagt er
Weitere Kostenlose Bücher