Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde
Spätherbst sein muss, weil es draußen bereits dunkel ist. Das ist es nämlich meistens in meiner Erinnerung.
»Hast du etwa jemanden in Gamaschen gesehen?«, fragt Sune, als wir uns vor meiner Haustür voneinander verabschieden.
»Nein«, antworte ich.
»Vollkommen rätselhaft«, erwidert Sune. »Vielleicht waren wir ja im falschen Film?«
An einem Sonntag einige Monate später weichen wir von unserer normalen Kinoroutine ab. Es ist Frühling, die Sonne scheint, und der Zirkus ist in der Stadt und hat sein Zelt auf dem Ladugårdsgärdet nur ein paar Hundert Meter von dem Haus, in dem ich wohne, entfernt aufgebaut.
Mein erster Zirkus. Und obwohl es so viel kostet wie die Kinobesuche eines Monats, ist es jede Öre wert. Schnaubende Pferde, die in der Manege im Kreis laufen, ein Zirkusdirektor in Zylinderhut, der sie mit Hilfe seiner klatschenden Peitsche dazu bringt, plötzlich innezuhalten und auf den Hinterbeinen zu tanzen. Seelöwen stupsen sich mit der Schnauze Bälle zu, ein Pudel kann ganz offenbar besser rechnen als die meisten meiner Freunde, und Akrobaten machen auf dem Rücken eines richtigen Elefanten Kunststücke, obwohl dieser seinen Rüssel erhoben hat und mit seinen langen Stoßzähnen buchstäblich lebensgefährlich aussieht.
Am allerbesten ist dann das Finale. Ein Clown mit roter Nase reitet auf einem Esel im Kreis und fällt die ganze Zeit runter und auf den Hintern, bis er schließlich hinkend aus der Manege geführt wird.
Schließlich lädt der Zirkusdirektor das Publikum ein, es auch einmal zu versuchen. Ein Mann im Anzug und in Papas Alter geht auf das Angebot ein. Er steigt in die Manege und setzt sich auf den Esel, und dieser zischt ab wie eine Silvesterrakete, springt in die Luft und wirft sich herum, bis der Mann seine Anzugshose verliert und eine rotweiß gestreifte lange Unterhose zum Vorschein kommt.
Ich lache so sehr, dass ich Magenschmerzen bekomme, während man dem armen Zirkusbesucher, dem die Hose noch in den Knien schlottert, auf die Beine hilft.
»Der Ärmste«, sage ich zu meinen Freunden, als wir nach der Vorstellung vor dem Zelt stehen. »Habt ihr seine Unterhose gesehen? Es kann kein Spaß sein, so einen Vater zu haben.«
Sune schüttelt den Kopf und sieht mich überlegen an. Dann klopft er vielsagend mit seinem Zeigefinger an seine Stirn.
»Du hast sie ja nicht mehr alle. Der arbeitet doch beim Zirkus. Das war doch alles nur zur Schau. Begreifst du das denn nicht?«
»Hör schon auf«, erwidere ich. Allerdings wenig überzeugend, denn irgendwas stimmt nicht. Warum hätte er sonst eine gestreifte lange Unterhose tragen sollen, obwohl bald Sommer ist?
»Du hast sie doch nicht mehr alle«, wiederholt Sune. »Ich habe mit Mama über diesen Film geredet, den wir gesehen haben. Damaskus ist eine Stadt. Das hat mit Gamaschen nichts zu tun. Das ist eine Stadt in Arabien. Deswegen hatten alle Männer im Film so drollige Kleider an. Das wusste sogar Mama.«
Film oder Zirkus, nicht alle Tage sind gut, aber wir beenden alle unsere Ausflüge mit einem Besuch bei Korv-Larsson. Ich bin dieses Mal nicht so fröhlich, dafür sind Sune und die anderen umso fröhlicher. Sogar Uffe, in der Tat auch Uffe. Die neueste Nummer des Comics »91: Soldat Karlsson« bei mir auszuleihen, wenn wir nach Hause kommen, kann er sich also gleich mal abschminken. Am fröhlichsten jedoch ist Korv-Larsson, denn seine Geschäfte laufen wie immer glänzend. Seine kleine Bude liegt ganz oben am Värtavägen neben der Bushaltestelle, und vor ihr steht immer eine Schlange mit den verschiedensten Leuten, die eine Wurst mit Brot und Senf kaufen wollen.
Inzwischen hat er das Sortiment erweitert, und wenn es Sommer wird, verkauft er hauptsächlich Eis, GB -Glass, in der Waffel oder am Stiel, nur Vanille, Erdbeer oder Schokolade. Wieso soll man Dinge unnötig komplizieren, wenn das Eis auch so reißenden Absatz findet.
Korv-Larsson ist reich, genauso reich wie Großvater, das hat Papa erzählt, und ausnahmsweise verhält es sich praktischerweise so, dass man sehen kann, wie reich er ist, ohne dass er angeberisch mit seinem Portemonnaie wedeln muss, das genauso dick ist wie ein Weihnachtsschwein, denn Korv-Larsson hat einen weißen Mercedes gekauft, mit dem er abends, wenn er die Bude abgeschlossen hat, nach Hause fährt. Und das genügt allen, die Augen im Kopf haben.
»Zeit, Feierabend zu machen«, sagt Korv-Larsson und lässt sich mit einem zufriedenen Seufzer auf den weißen Ledersitz sinken und stellt
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