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Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde

Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde

Titel: Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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wohnen. Außerdem brauchte sie eine Krankenschwester, die sich um sie kümmerte, und einen Arzt, der täglich bei ihr vorbeischaute. In dieser schwierigen Situation taucht auch noch Großvater auf, und die Erklärung dafür ist vermutlich seine dicke Brieftasche mit den fünf Fächern.
    Er schien sich jedoch nicht im Geringsten über sein neues Enkelkind zu freuen, lief nur herum, beklagte sich über »Frauenzimmer und ihre Wehwehchen« und weigerte sich zu essen, was Papa gekocht hatte. Er frühstückte in der Konditorei im Nachbarhaus. Zu Mittag und Abend aß er in einem Restaurant in der Stadt. Ob er allein aß oder in Gesellschaft von Bekannten, weiß ich nicht. Ich durfte ihn jedenfalls nicht mehr begleiten, und bereits nach wenigen Tagen zog er ins Hotel. Nach einer weiteren Woche, als es Mama etwas besser ging, fuhr er wieder nach Hause, ohne dass sein Lieblingsenkel auch nur eine funkelnde Zweikronenmünze bekommen hätte.
    An all das erinnere ich mich. Ich erinnere mich, dass meine Mutter so krank wurde, dass sie gezwungen war, in unsere zweite Wohnung zu ziehen, ich erinnere mich an Mamas Krankenschwester und an ihren Doktor, ich erinnere mich an einen ganz anderen Großvater, der zu Besuch kam, und an die Zweikronen, die ich nie bekam. Ich erinnere mich sogar an die gebratene Fleischwurst meines Vaters, sein sogenanntes Paradeessen, das im Übrigen das einzige warme Gericht war, das er zubereiten konnte. Es wurde deutlich besser, als Großvater nicht mehr bei uns aß und ich entscheiden durfte, ob die Wurst der Länge nach oder in Scheiben geschnitten wurde, ehe Papa sie in der Pfanne anbrennen ließ. Das war im Großen und Ganzen der einzige Trost in dem ganzen Elend, in das ich plötzlich hineingeraten war.
    Die einzige Erinnerung, die ich von meiner neugeborenen kleinen Schwester habe, ist, dass alles ihre Schuld war. Ich weiß nicht mehr, ob sie zusammen mit Mama nach Hause kam, was sie vermutlich tat. Ich weiß auch nicht mehr, wie sie aussah oder was sie anhatte. So begann es, und so ging es viele Jahre lang weiter.
    Wahrscheinlich ist das auch die Erklärung dafür, dass niemand außer mir, ihrem großen und einzigen Bruder, sie immer noch Maud nennt. Alle anderen, Familie, Verwandtschaft, Freunde, Bekannte, Nachbarn, Arbeitskollegen, alle, die sie überhaupt mit Vornamen ansprechen, nennen sie Moa. Selbst wenn ich mich damit begnüge, diesen Umstand im fahlen Licht der Familiengeschichte zu betrachten, handelt es sich um eine betrübliche Distanzierung. Nicht einmal ein Siebenjähriger hat das Recht, sich seiner jüngeren Schwester gegenüber so zu verhalten wie ich damals. Eine kleine Schwester kann mit Recht mehr von ihrem großen Bruder verlangen.
    Meine zweite Erinnerung an meine kleine Schwester ist ganz logisch, wenn man bedenkt, wie alles begann. So ist es ja häufig, nicht zuletzt, wenn es um schlimme Dinge geht, so, dass alles weitergeht, wie es begonnen hat.
    Mama, Maud und ich wollen zur Post unten am Frihamnen. Maud ist ein paar Monate alt. Sie schläft in ihrem Kinderwagen und ist einigermaßen erträglich, weil sie nicht die ganze Zeit schreit.
    Ich genieße das Vertrauen, auf sie aufzupassen, und sobald Mama im Postamt verschwindet, wacht sie natürlich auf und beginnt umgehend Geräusche von sich zu geben. Besonders froh klingt sie nicht. Wie von Mama angewiesen, schaukele ich den Kinderwagen, damit sie sich beruhigt, aber je mehr ich schaukele, desto lauter schreit sie. Ich gehe dazu über, den Wagen so fest, wie ich nur kann, zu schütteln. Und es passiert, was passieren muss, sie fällt heraus. Mit dem Kopf voran in den Kies. Und dort liegt sie dann und schreit wie am Spieß, als Mama aus der Post gerannt kommt.
    Mama nimmt meine Schwester auf den Arm und versucht sie zu trösten, was nicht sonderlich gut geht, da sie mich gleichzeitig anschreit. Ich löse das Problem, indem ich davontrotte, und ob die Sache ein Nachspiel hatte, daran erinnere ich mich nicht.
    Möglicherweise hat meine Mama drei Jahre später vergessen und verziehen, da ich erneut den Auftrag erhalte, meine Schwester zu hüten. Maud will im Sandkasten spielen. Selbst will ich nur meine Ruhe haben. Ich setze mich auf den Rand des Sandkastens und beginne das Buch zu lesen, das ich mitgenommen habe. Zumindest bin ich anwesend und kann sie daran hindern, auf die Straße zu rennen und von einem Auto überfahren zu werden. Aber meine kleine Schwester ist unzufrieden. Sie quengelt konstant, hört einfach nicht auf, und

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