Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde
und leckt überhaupt nicht. Im Bootshaus liegt außerdem eine Menge Fischereigeräte, Grundnetze, normale Netze, Krebs- und Hummerreusen, Angelschnüre, Angeln, Senker sowie Schleppangeln. Alles wartet nur auf mich. Mama ist plötzlich gesünder als seit langem, und Papa vibriert förmlich vor Arbeitslust. Genau wie die beiden Ardennerpferde des Bauern, die auf der Uferwiese ihre Sommerweide haben und sich förmlich danach sehnen, vor den Pflug gespannt zu werden. Als meine Eltern das Haus in Hogdal kaufen, verstoßen sie zum zweiten Mal gegen die sozialen und wirtschaftlichen Regeln, die für Menschen mit ihrem Hintergrund gelten. Den ersten Schritt, den großen Schritt, haben sie weitaus früher gemacht, als sie aus den Industrieorten in der Provinz, in denen sie aufgewachsen waren, weggezogen sind. Das war zu dieser Zeit ungewöhnlich, da es in diesen Orten in Bergslagen und Nedre Norrland viel Arbeit gab. Auch für Leute, die nicht von der Landwirtschaft und vom Wald lebten, so wie es der größte Teil der Verwandtschaft tat. Außerdem zogen sie nach Stockholm, was in den Augen derselben Verwandtschaft fast genauso abenteuerlich war wie die Emigration meines Urgroßvaters nach Amerika siebzig Jahre zuvor.
Jetzt haben sie sich plötzlich auch noch ein Sommerhaus gekauft. Genau wie die feinen Leute, noch dazu in einem ganz anderen Teil Schwedens als dort, wo sie wohnen und arbeiten. Und auch keine normale Hütte, die man im Sommer zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichen kann, um zu angeln, zu jagen, Beeren oder Pilze zu pflücken oder einfach nur auszuspannen und an etwas anderes zu denken als den Wald und die Erde.
Ich selbst verschwende keinen Gedanken daran, dass die neue soziale Mobilität der Arbeiterklasse der Grund dafür sein könnte, dass es mich an das andere Ende Schwedens verschlagen hat. Ich gehe runter an den Strand und sammele mit einer Harke Miesmuscheln, die Papa und ich abends als Köder beim Dorsch- und Wittlingfangen verwenden.
Der Strand, auf dem ich gehe, heißt mich mit neuen Gerüchen willkommen. Es duftet nach Tang und, was das Beste ist, nach Meer. Das ist ein Duft, den es nicht einmal im Frihamnen unterhalb unseres Hauses in der Stadt gibt. Das Segelboot auf meiner Bank habe ich bereits vergessen und auch das einzige Kissen, das ich in meinem Leben bestickt habe, trotz aller Probleme, die mir daraus erwachsen sind, falls ich mich jetzt an dem Motiv aufhängen will, das mich auf die Bahn des Verbrechens brachte, die Sachbeschädigung einer nagelneuen Schulbank. Ich denke nicht einmal mehr an meine gemeine Lehrerin. Ich habe sie zumindest von der Oberfläche meines Bewusstseins verbannt, und es vergehen zehn Jahre, bis ich ihr wieder begegne.
21.
Die Weidenflöte und das Genie der Hände
Im Herbst des Jahres, bevor ich eingeschult werde, darf ich Papa zur Elchjagd mit seiner Verwandtschaft in Norrland begleiten.
»Besser die Gelegenheit nutzen«, meint Papa. »Wenn du erst mal in die Schule gehst, dann kannst du die Septemberjagd vergessen.«
Es ist Anfang September recht weit im Norden. Es ist kalt, und die Luft ist klar, und der Herbst ist nur ein Vorbote des bevorstehenden Winters. Ich bin nicht zum ersten Mal dabei. Papa und ich haben schon viel Zeit auf dem Ansitz verbracht. Jedes Mal ist es gleichermaßen aufregend. Obwohl wir den ganzen Tag dort sitzen werden, weiß ich, dass ich mich keine Sekunde langweilen werde. Wir können picknicken, mehrmals sogar und sobald wir nur den geringsten Hunger verspüren. Wird es kalt, dann können wir ein Feuer anzünden, und falls Papa ein Nickerchen halten will, dann halte ich eben Wache und sage rechtzeitig bescheid, falls der große Elchbulle plötzlich auftauchen sollte. Ich darf sogar das Gewehr halten, wenn ich will, solange ich nur nicht an der Sicherung und am Abzug rummache.
Als kleiner Junge mit dem Papa auf einem großen Felsbrocken im großen schweigenden Wald sitzen zu dürfen. Einfach nur schweigend dazusitzen, nur er und ich, während seine großen, schwieligen Arbeiterhände mit magischen Bewegungen, die Klinge des Mora-Messers zwischen Daumen und Zeigefinger, einen normalen Ast in eine Weidenflöte verwandeln und den Stamm eines Wacholders in einen Bogen. Ohne dass er auch nur seine Hände ansehen müsste, während er das tut.
An diesem Morgen schnitzt er mir eine Weidenflöte. Auf dem Weg zum Ansitz schneidet er eine passende Weidenrute, und als wir dort sitzen, nimmt er in Angriff, was weiter zu tun ist. Er schneidet
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