Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde
vermutlich sage ich ihr, sie solle die Schnauze halten, als es plötzlich einen gewaltigen Schlag auf meinen Kopf tut.
Meine Schwester hat einen Stein geholt, den größten, den sie finden und tragen konnte, sich von hinten an mich herangeschlichen und ihn mir auf den Kopf geknallt. Dann gibt es einen richtigen Zirkus. Maud heult, Mama schüttelt sie und schreit sie an, ich selbst breche ebenfalls in Tränen aus, und ehe der Tag zu Ende ist, bin ich in der Kinderklinik, wo man mir den Skalp zusammennäht. Sicherlich bin ich zu jenem Zeitpunkt überzeugt, dass sie sich auf diese Art an mir gerächt hat. Sie war nicht nur wütend, weil ich nicht mit ihr spielen wollte, als wir im Sandkasten saßen, sondern es war auch eine späte Rache für das, was vor dem Postamt am Frihamnen geschehen war.
Heute glaube ich nicht mehr daran, dass es sich um Rache gehandelt haben könnte. Ich habe außerdem erkannt, warum es fast sechzig Jahre dauert, bis wir eine normal funktionierende Beziehung haben. Ich habe also doch Erinnerungen an meine kleine Schwester. Ich erinnere mich auch daran, dass das Gute an der Schule war, dass ich meine Schwester zumindest tagsüber nicht sehen musste.
»Alles halb so schlimm«, meint Papa, als wir beim Abendessen sitzen und ich ihm die Naht zeige.
Er weiß nicht, wie recht er damit haben wird.
20.
Das Haus in Hogdal
Im selben Jahr, in dem ich ein Segelboot auf ein Kissen sticke, ein ebensolches auf meine Bank male und man mir schlechte Noten in Ordnung und Betragen gibt, kaufen meine Eltern ein Haus an der Westküste. Es ist ein altes Fischerhaus im Hogdalslandet nördlich von Strömstad, unmittelbar am Ufer eines Fjords, der Dynekilen heißt. Bis zu den Kosterinseln sind es nur ein paar Seemeilen in die Nordsee hinaus. Ausnahmsweise sind es Zufälle, die dazu führen, dass wir dorthin geraten.
Meine Eltern stammen aus Bergslagen und Norrland. Sie haben keinerlei Beziehung zur Westküste. In der Sonntagsschule zu Hause in Gärdet habe ich einen Jungen getroffen, dessen Mutter im nördlichen Bohuslän geboren und aufgewachsen ist. Seine Mutter hat einen älteren, kürzlich verstorbenen Verwandten beerbt und verkauft jetzt sein Haus.
Meine Mutter und seine Mutter sprechen darüber. Da sie ein anständiger Mensch ist, warnt sie Mama Margit noch. Sie solle nicht zu viel erwarten. Das Haus sei alles andere als die ordentliche und bequeme Wohnung, in der wir wohnen. Sogar das Trockenklosett lasse einiges zu wünschen übrig. Ihr Verwandter, der Fischer, sei sein ganzes Leben, bis zu seinem Tod mit neunzig Jahren, Junggeselle gewesen. Häuslichkeit sei nicht sein Ding gewesen.
Meine Mutter bedankt sich für diese Information und meint, dass sich dies ja, falls es je zum Geschäft komme, vielleicht im Preis niederschlagen könne, und plötzlich klingt sie genauso wie mein Großvater. Dann spricht sie mit Papa, und bereits am nächsten Wochenende fahren sie die gut fünfhundert Kilometer zum Hogdalslandet nördlich von Strömstad, um sich das Haus anzusehen. Als sie am Sonntag nach Hause kommen, haben sie ihr eigenes Sommerparadies gekauft, und derjenige, der sich am meisten zu freuen scheint, ist in der Tat Papa, obwohl er anfänglich nur den Kopf geschüttelt hat und nicht einmal erwägen wollte, sich auf solche Abenteuer einzulassen. Papa freut sich wie ein Schneekönig, er fährt mir durchs Haar, und seine Augen leuchten. Das Haus, dessen Eigentümer er gerade geworden ist, passt ihm nämlich ganz ausgezeichnet.
»Das ist eine richtige Bruchbude«, sagt Papa. »Für jemanden wie mich gibt es dort unendlich viel zu tun.«
Auch Mama hat das Ihre getan und außerdem auf eine Weise, die Großvater sicher gebilligt hätte. Der Kaufpreis beträgt siebentausend Kronen, was heute etwa hunderttausend entspricht, und als sie das Haus dreißig Jahre später verkaufen, bekommen sie ungefähr das Zwanzigfache dessen, was sie investiert haben. Sehr viel mehr, als Papa in seinem Leben jemals dafür bekommen hat, dass er irgendwelche Nägel eingeschlagen oder Bretter abgesägt hat.
Als ein paar Wochen später meine Sommerferien beginnen, fährt die ganze Familie dorthin, um das neue Haus in Besitz zu nehmen. Papa hat eine Woche zusätzlich Urlaub genommen, und meine kleine Schwester und ich finden neben dem ganzen Werkzeug, das er ins Auto geladen hat, kaum Platz. Das Haus ist wirklich eine Bruchbude, Papa hat nicht übertrieben, aber der schwarze Bohuskahn, der unten am Bootshaus liegt, ist frisch geteert
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