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Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde

Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde

Titel: Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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notwendige Ausgabe besaßen, wie lange mein Vater noch Arbeit haben würde.
    Nicht oft, das geschah ohne große Gebärden, und es gab nie Streit, nie Tränen. Es war die Stille, die mir Mühe bereitete. Sie ließ mich verstehen, dass ich dieses Leben nicht für mich wollte. Es war dieses Verständnis, das mich viel später von meiner eigenen Familie entfernte. Obwohl meine Absicht genau das Gegenteil war. Ich wurde »wohlfahrtsabwesend«, ich entschied mich dafür zu denken, zu lesen, Bücher zu schreiben, Geld zu verdienen, zu Tagungen zu reisen und im Fernsehen aufzutreten.
    »Ich dachte, es wäre nett, wenn du jeden Tag fünf Minuten auf meinem Schoß sitzen würdest«, sage ich zu meiner jüngsten Tochter. Sie ist erst drei Jahre alt, aber sie kann schon den Kopf schütteln.
    »Ich will nicht«, sagt sie. »Ich will spielen.«
    »Papa kann das nicht gut, spielen«, erkläre ich. »Können wir nicht einfach ein bisschen hier sitzen und kuscheln?«
    »Du kannst deine Bücher lesen«, sagt sie, »dann kann ich spielen.«
    Mutter und Tochter, abwesender Vater. Ausgesprochen seltsam, wenn man bedenkt, dass ich in den ersten Lebensjahren meiner dritten Tochter das Haus nur selten verlasse. Ich bin fast immer in meinem Arbeitszimmer anzutreffen, von Mahlzeiten und Schlaf einmal abgesehen.
    Eines Abends will die Mutter des Kindes mit ihren Freundinnen essen gehen. Das Kind ist etwa drei Jahre alt. Ihr Abschied gestaltet sich herzzerreißend. Er dauert eine Stunde, und als die Mutter weggefahren ist, sitzt ihre Tochter noch eine halbe Stunde auf der untersten Treppenstufe und weint verzweifelt. Ich versuche sie in den Arm zu nehmen, sie zu trösten und ihr zu versichern, dass ihre Mama bald wieder zu Hause ist. Dann hört sie aus reiner Erschöpfung mit dem Weinen auf. Ich trage sie in ihr Zimmer hinauf und lese ihr zwei Märchen vor. Was soll ich anderes tun? Schließlich kann ich nicht selbst anfangen zu weinen.
    »Ging alles glatt?«, will ihre Mutter wissen, als sie nach Hause kommt.
    »Ich habe ihr zwei Märchen vorgelesen«, antworte ich.
    Meine älteste Tochter ist jetzt groß. In den Augen aller außer mir und möglicherweise ihrer Mutter ist sie jetzt groß. Sie ist selbst Mutter von drei Töchtern, und alle, die uns gut kennen, behaupten außerdem, dass sie immer Papas Liebling war. Papas tüchtiges Mädchen, sagen sie, wenn sie sowohl meine Tochter als auch mich ein wenig ärgern wollen. Eigentlich müsste ich sie ohne großes Risiko fragen können, denke ich.
    »Da ist etwas, worüber ich nachgedacht habe«, sage ich. »Wie war ich als Vater, als du klein warst?«
    »Du warst der allerbeste Vater«, antwortet sie. »Du warst es damals, und du bist es immer noch.«
    »Aber ich war doch nie zu Hause?«, wende ich ein.
    »Du bist der allerbeste Vater«, wiederholt sie. »Frag mich nicht, warum. Für mich bist du der beste Vater, den es gibt. Okay?«
    Der beste Vater, den es gibt, denke ich. Ich habe meine Kinder nie geschlagen und bin auch nur sehr selten laut geworden. Ich habe immer an sie gedacht. Ich habe ihnen alles geschenkt, worauf sie nur gedeutet haben, oft noch bevor sie den Finger erhoben hatten. Die Gabe erfreut den Geber, und vermutlich habe ich einfach nur versucht, meinen eigenen Film rückwärtszukurbeln. Dabei hat mich das Kurbeln die meiste Zeit gekostet.
    Der beste Vater, den es gibt?
    Jetzt will ich erzählen, wie es war, als meine jüngste Tochter zur Welt kam. Ganz formal gesehen ist das nämlich die einzige Geburt, bei der ich von Anfang bis Ende zugegen war. Dieses Mal werde ich nämlich nicht aus dem Kreißsaal geworfen, und hätte jemand so etwas vollkommen Irrwitziges auch nur versucht, dann hätte das für diese Person alles andere als schöne Konsequenzen gehabt.
    Als meine jüngste Tochter zur Welt kommt, bin ich 35 Jahre alt und kann in rein materieller Hinsicht über mein Leben bestimmen. Ich bin, was man finanziell unabhängig nennt. Gleichzeitig bin ich emotional von der werdenden Mutter, meiner neuen Frau, überwältigt. Ich wohne in einer neuen Stadt, die fünfhundert Kilometer von meinem bisherigen Leben entfernt liegt. Das Jahr vor und das Jahr nach der Geburt meiner jüngsten Tochter verbringe ich in dem eben schon erwähnten Arbeitszimmer mit den ebenfalls erwähnten Unterbrechungen zum Essen, Schlafen und zu den übrigen privaten und öffentlichen Aktivitäten. Letztere sind im Übrigen nicht sonderlich zahlreich. Das gibt mir unter anderem die Möglichkeit, dem neuen,

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