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Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde

Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde

Titel: Der Professor - Wie ich Schwedens erfolgreichster Profiler wurde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif GW Persson
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ziehe ich also mit meiner wachsenden Familie in Etappen von einer Einzimmerwohnung mit Kochschrank in eine Riesenvilla in Djursholm, und wahrscheinlich bleibt in dieser Bewegung auch unsere Beziehung auf der Strecke.
    Ich bin ein Arbeiterkind und Aufsteiger. Ich habe nicht gehungert, als ich diese Reise begann, aber beeinflusst von der höheren Schule und dem Zusammensein mit Kameraden, die finanziell besser gestellt waren, habe ich schon früh gewusst, dass ich nicht das Leben meiner Eltern führen will. Dieser Beschluss hat mich schon in recht jungen Jahren finanziell unabhängig gemacht und mir ein inneres Exil ohne Zugehörigkeitsgefühl weder dort oben noch dort unten eingetragen. Aber als meine älteste Tochter zur Welt kommt, scheinen die Konsequenzen meiner Wahl noch nicht mein Leben zu bestimmen.
    In der Nacht bevor meine älteste Tochter zur Welt kommt, geht bei meiner Frau das Fruchtwasser ab, und da sie Krankenschwester ist, weiß sie, dass es so weit ist und wie viel Zeit ihr noch bleibt. Da wir kein Geld haben, nehmen wir den Bus und die U-Bahn zum Krankenhaus. Die Fahrt dauert eine Stunde, das Wetter ist mies. Ich erinnere mich an unsere erwartungsvolle Freude auf das Kind. Besorgt sind wir nicht, und wir ärgern uns auch nicht über verquere finanzielle Verhältnisse.
    Man hat mir gesagt, der entscheidende Unterschied zwischen Frauen und Männern sei, dass Erstere das Leben als eine Frage von Beziehungen betrachten, während Letztere dieses in eine Anzahl größere und kleinere Projekte aufspalten, beispielsweise Leif GW Perssons Plan zur Optimierung der familiären Wohnsituation.
    Falls es sich wirklich so verhält – eigentlich müsste es ja doch etwas komplizierter sein –, dann erscheint das Leben jedem Mann mit meinem Hintergrund und meinen Neigungen höchst ungerecht. Was ist das für ein Mann, der seinen Traum vom Erfolg nicht verwirklichen kann? Was ist das für ein Mann, der seine Familie nicht versorgen kann?
    »Warum redest du immer von Geld, Papa?«, fragt meine jüngste Tochter.
    Weil ich nicht so aufgewachsen bin wie du, weil ich nie Geld hatte, als ich so alt war wie du, denke ich. Aber ich sage das nicht.
    Jeder Mann mittleren Alters zieht Bilanz. In solchen Momenten quälen mich gewisse Erinnerungen mehr als andere. Zusammenfassend kann man sagen, dass es bei diesen darum geht, ob ich ein guter oder ein schlechter Vater war.
    Was meinen ältesten Sohn betrifft, so ist diese Frage leicht zu beantworten, und deswegen habe ich über diese Angelegenheit auch nur selten nachgedacht. Ich war in allem Wesentlichen ein abwesender Vater, und ob das mein Fehler ist oder der einer anderen Person, ist uninteressant, da es jedenfalls nicht an meinem Sohn lag. Es waren nicht sein Beschluss und seine Taten, die ihn in die Welt gebracht haben. Ich denke jeden Tag an ihn. Ob aufgrund schlechten Gewissens oder aus Fürsorglichkeit weiß ich hingegen nicht. Vermutlich ist es eine Mischung aus beidem.
    Was meine Töchter betrifft, ist es schwieriger. Während der Kindheit der beiden ältesten war ich doch recht viel zu Hause. Gleichzeitig war ich geistig abwesend, mit anderem beschäftigt als mit meinen Gedanken an sie, an meine Frau, unsere Familie. Außerdem lasse ich mich von ihrer Mutter scheiden, als sie noch klein sind, und ziehe in eine andere Stadt zu einer anderen Frau.
    Wir sprechen oft von dem guten Vater und gebrauchen die Begriffe Frequenz und Qualität, wobei Frequenz Qualität zur Folge hat. Wie oft sieht er seine Familie, und was tut er dann?
    Ich erinnere mich an meine eigene Kindheit. Mein Vater Gustav, Bauarbeiter und Zimmermann, meine Mutter Margit, Hausfrau mit ständigen Aushilfsarbeiten, außerdem meine jüngere Schwester. Ich erinnere mich, dass wir, bis ich ein Teenager war, ständig Umgang pflegten.
    Ich erinnere mich an die Abendessen bei uns zu Hause, ich komme davon nicht los. Ich komme ständig und in verschiedenen Zusammenhängen auf sie zurück. Wie meine Mutter, mein Vater, meine kleine Schwester und ich fast 365 Mal pro Jahr zusammen zu Abend aßen. Höchste Punktzahl auf der Frequenzskala. Ich erinnere mich daran, dass meine Mutter kochte. Mein Vater kam von der Baustelle mit einem vor Müdigkeit und Schmerzen vibrierenden Körper von der Arbeit nach Hause. Ich erinnere mich, dass wir schweigend aßen, und wenn meine Eltern ein seltenes Mal am Esstisch miteinander sprachen, dann ging es immer um materielle Probleme. Was irgendetwas kostete, ob wir genug Geld für eine

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