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Der Profi

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Titel: Der Profi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fernando S. Llobera
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an der Polizeiakademie beworben. Später machte sie ihre Prüfung zur Hilfskommissarin und bekam die Stelle in Palma de Mallorca. Sie war der Überzeugung gewesen, dass es das Beste für sie wäre, das bedrückende Dasein Barakaldos hinter sich zu lassen und auf der Insel ein neues Leben zu beginnen.
    Zwar sagte sie sich immer wieder, dass sie nicht Polizistin geworden war, um ihren Vater zu ärgern. Doch als er wegen ihrer Berufsentscheidung einen Tobsuchtsanfall bekam, empfand Cruz eine fast schon perverse Freude. Oder vielleicht ist »perverse Freude« nicht der passende Ausdruck für das, was sie damals fühlte. In Wirklichkeit trat sie dadurch endlich aus dem Schatten ihres Vaters, einem dunklen, hinterhältigen Schatten. Es war eine bittersüße Mischung aus Wut und Rache. War es Hass? Sie wusste es nicht. Sie konnte den machohaften und fremdenfeindlichen Mann, der zu einer Geisel seiner eigenen Verbitterung geworden war, einfach nicht mehr ertragen. Mit anderen Worten: Cruz fragte sich, ob die Tatsache, dass sie Polizistin geworden war, einer wirklichen Berufung entsprang oder lediglich ein Akt des Widerstands gegen den eigenen Vater gewesen war. Sie war sich darüber bis heute nicht im Klaren.
    Politische Fragen hatten sie entzweit. Sein unerträgliches Wettern gegen das etablierte politische System und die nationalistischen Kampfparolen, mit denen er sie tagein, tagaus bearbeitete. Er verzehrte sich in einem rasenden Hass, der ihn innerlich auffraß und zum Schluss kaum etwas von dem Menschen übrig ließ, der er einmal gewesen war.
    Es war im Jahr 1993. Cruz hatte sich gerade an der Rechtsfakultät der Universität Bilbao eingeschrieben. Eine Zeit, in der viele Studenten an radikalen Politikveranstaltungen teilnahmen und mit leuchtenden Augen vom »baskischen Befreiungskampf« sprachen. Eine dumpfe Atmosphäre beherrschte den Alltag, und viele sahen, ähnlich wie Cruz, in den ständigen Blutbädern und dem Hass ohne Ende keinen Sinn. In jenem Jahr fielen vierzehn Menschen der ETA zum Opfer und in den darauffolgenden Jahren weitere vier. In der Zeit, als Cruz an der Uni studierte, starben insgesamt fünfundvierzig Menschen. Eines der Todesopfer war ein Polizeikommissar. Er hatte zwei Töchter. Die ältere der beiden war mit Cruz’ jüngerer Schwester Olaia befreundet gewesen. Einmal kam Olaia tränenüberströmt zu Cruz und fragte: »Warum machen Menschen so was?« In der Nacht, als das Attentat auf den Kommissar verübt wurde, waren zwei Männer in die Wohnung von Cruz’ Familie gekommen. Sie sahen aus, als wären sie auf der Flucht, trugen schmuddelige Kleidung und verströmten eine Mischung aus Angst und Zufriedenheit nach getaner Tat. In eines der Zimmer eingeschlossen, verbrachten sie insgesamt drei Tage bei ihnen. Cruz’ Mutter tuschelte hinter vorgehaltener Hand und mit ängstlichem Blick mit ihrem Mann: »Was soll das, Jon? Und die Mädchen …? Was ist, wenn jemand was merkt?« Cruz war damals gerade achtzehn geworden.
    Als Cruz schreiend über ihren Vater herfiel und ihn beschuldigte, durch die Aufnahme der zwei Mörder ihre Wohnung besudelt zu haben, sagte ihr Vater mit gleichgültiger Stimme über den toten Kommissar: »Dieses spanische Arschloch hatte es doch nicht anders verdient!«
    Und als Cruz wenig später in das verstörte und ängstliche Gesicht ihrer jüngeren Schwester blickte, beschloss sie, aus der elterlichen Wohnung für immer auszuzie hen. Jetzt, mit einunddreißig, war sie Kripobeamtin und wusste eigentlich gar nicht so genau, weshalb. Ihr Vater sprach nicht mehr mit ihr, und ihre Mutter war seither verzweifelt darum bemüht, die kaputten Familienbeziehungen wieder zu reparieren.
    Während Cruz unter Palmas Dauerregen zu ihrem Dienstwagen rannte, Pfützen auswich und unter Markisen Unterschlupf suchte, musste sie unwillkürlich an Barakaldo und ihre Familie denken. Voller Wut verdrängte sie die Erinnerungen. Sie befestigte das Blaulicht auf dem Dach ihres Dienstwagens und fuhr, so schnell es die 64 PS ihres VW erlaubten, Richtung Palma-Nord. Um auf andere Gedanken zu kommen, dachte sie eine Weile über Carlos nach. Dann schüttelte sie den Kopf. Ihre Liebesaffären gingen am Ende immer den Bach runter. Es war jedes Mal die gleiche Geschichte: Der anfänglichen Romanze folgten Monate des Tränenvergießens. So war ihr Leben eben! Ein ungewolltes Chaos in jeder Beziehung.
    Die Nachricht, die sie erhalten hatte – eine Explosion in der George-Sand- Wohnsiedlung (was zum Teufel

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