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Der Profi

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Titel: Der Profi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fernando S. Llobera
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Merrill, Goldman oder Madoff sich nicht wiederholten … Niemand konnte sich dem Debakel ganz entziehen. Auch die spanische Finanzkrise schien auf absehbare Zeit nicht abflauen zu wollen.
    Mit anderen Worten: Brown & McCombie , die Unternehmensberatung für Finanz- und Strategieplanung, der Don Eleuterio vorstand, versank unwiderruflich in den roten Zahlen.

Dass jemand Sergej Tschernekow umgebracht hatte, wunderte Hilfskommissarin Cruz Navarro nicht. Als sie die Nachricht erhielt, knirschte sie zwar vor Wut mit den Zähnen, aber wirklich überrascht war sie nicht.
    Erst beim wiederholten Läuten hatte Cruz bemerkt, dass es ihr Handy gewesen war, das sie aus dem Schlaf gerissen hatte. Sie suchte ein paar Sekunden orientierungslos in den zerwühlten Bettlaken zu ihren Füßen. Draußen regnete es in Strömen. Das trübe graue Licht der Straßenlaternen, das zu den Fenstern hereindrang, wurde von den Rinnsalen, die sich an den Scheiben bildeten, in Streifen zerteilt.
    Cruz rieb sich die Augen. Dann fiel ihr Blick auf den Mann, der neben ihr im Bett lag, und sie beklagte den Weinkonsum vom Vorabend. Er hatte sie am Nachmittag angerufen. Und sie hatte sich erneut von ihm einladen lassen. Wie immer hatten sie sich an einem abgelegenen Ort in der Vorstadt getroffen. Cruz wusste nicht, ob es sie mehr störte, dass er immer so kurzfristig anrief (er setzte automatisch voraus, dass sie Zeit für ihn hatte) oder dass sie nichts Besseres vorhatte. Ein bitteres Lächeln flog ihr über die Lippen: Was sollte sie schon unternehmen?
    Sie warf sich einmal mehr ihre Schwäche vor, die sie dazu trieb, Trost in den Armen eines untreuen Ehemanns zu suchen. Jeden Morgen schwor sie sich, der Beziehung ein Ende zu setzen. Doch dann überfiel sie wieder diese verdammte Einsamkeit. Ihre Kollegen aus dem Kommissariat hatten sie eines Freitagabends überredet, zusammen wegzugehen. Damals war es wichtig für sie gewesen, dass jemand ihr das Gefühl gab, eine attraktive Frau zu sein, und sie hegte – wie schon so oft in der Vergangenheit – die Hoffnung, dort draußen auf jemanden zu stoßen. Dann geschah, was geschehen musste, und ein paar Monate später konnte sie von dem Mann nicht mehr lassen. Obwohl sie sich bei jedem Treffen als die Schwächere fühlte, war sie davon überzeugt, dass sie es irgendwann schaffen würde, ihm den Laufpass zu geben.
    Cruz hatte seit geraumer Zeit das Gefühl, einen Schraubstock an der Gurgel sitzen zu haben. Sie schlief wenig, trank zu viel und war ständig gereizt. Jede Nacht wurde sie von demselben Albtraum geplagt. In der offiziellen Erklärung hieß es, Hilfskommissarin Navarro treffe keine Schuld: Die Situation sei unvermeidbar gewesen. Sie habe korrekt gehandelt, genau wie Gesetz und Amtsvorschrift es verlangten. In Notwehr . Man hatte sie von jeder Verantwortung freigesprochen. Doch das konnte die Schreckgespenster, die sie heimsuchten, sobald sie die Augen schloss, nicht verscheuchen, und es war auch kein Heilmittel gegen ihre Albträume. Ebenso wenig verhinderte es, dass sie täglich vor dem Schlafengehen eine halbe Flasche Wein leerte.
    Der Junge war gerade vierzehn Jahre alt geworden. Davon abgesehen, dass er mitten in der Pubertät steckte, ein problematisches Alter, in dem man gern gegen Gesellschaft und Familie rebelliert, war ihm nichts vorzuwerfen. Vielleicht hatte er die falschen Freunde gehabt, vielleicht war er auch nur zum Opfer der aggressiven Werbekampagne von Sonygeworden, die ihm keinen Ausweg ließ: Ohne die neueste Playstation existierst du nicht! Vielleicht hatte er sich auch einfach nur getäuscht. Egal. Tatsache war: Der Junge war tot.
    Und Cruz Navarro hatte abgedrückt.
    Es geschah nachts in einem Laden für elektronische Artikel in den Außenbezirken von Palma. Cruz hatte gerade Schicht, als die vier Jungs, die Rucksäcke prallvoll mit Diebesgut, aus dem Laden kamen: Videokonsolen im Wert von tausendsiebenhundert Euro, für jeden eine. Cruz hatte ihnen zugerufen: »Halt, stehen bleiben!« Einer der Jungs gab einen Schuss ab. (Später gestand er, dass die Dienstwaffe von seinem Vater stammte, einem städtischen Polizeibeamten, der kurz vor der Pensionierung stand.) Cruz sah sich auf offener Straße mit der Gruppe konfrontiert, schutzlos, und erwiderte den Schuss. Sie traf den 14-Jährigen so unglücklich im Oberschenkel, dass eine Beinschlagader durchtrennt wurde. Er starb wegen 425 Euro!
    Wieder klingelte Cruz’ Handy. Es lag auf dem Nachttisch und meldete sich mit voller

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