Der Profi
ausländische Rentner, für die Mallorca nie wirklich zur Heimat geworden ist. Deshalb weigern sie sich auch hartnäckig, Sprache und Gewohnheiten der Baleareninsel zu lernen … Dort lebt auch Sergej Tschernekow, ein bedeutender ausländischer biznessman (oder genauer gesagt: führender Kopf der russischen Mafia). Aber vielleicht sollte ich besser sagen: Dort lebte er … Gleich erkläre ich Ihnen, warum!
Cruz war bereits seit zehn Monaten damit beschäftigt, Tschernekow zu beschatten. Sie folgte ihm diskret überallhin, hörte seine Privatgespräche ab, nahm das Dickicht seiner dubiosen Geschäfte unter die Lupe und entwirrte langsam, aber sicher das komplexe Finanzgebilde, das seine Person umgab und sich auf die eine oder andere der achtundvierzig offiziellen Steueroasen (wie Liechtenstein, die Kaimaninseln oder Liberia, um nur drei zu nennen) verteilte. Kurz gesagt: Cruz Navarro versuchte Sergej Tschernekow aus dem Verkehr zu ziehen.
Das war keine leichte Aufgabe. Zwar war Tschernekow ein ziemlicher Trampel, aber er hatte ein glückliches Händchen bei seinen Mitarbeiter. Was seine legalen Geschäfte anging, achtete er peinlich genau darauf, sie »sauber« zu halten, und seine illegalen versteckte er so kunstvoll hinter Scheingeschäften, dass niemand sie durchschauen konnte. Als Cruz nach Palma kam, war sie der Abteilung zur Bekämpfung Organisierter Kriminalität auf Mallorca zugeteilt worden. Als Anfängerin musste sie zunächst die undankbarsten Aufgaben übernehmen: zum Beispiel in den Abfällen russischer Mafiosi wühlen … Später, nachdem sie bewiesen hatte, was sie auf dem Kasten hatte, wurde sie mit drei weiteren Kollegen dem Team eines meist schlecht gelaunten Kommissars zugeteilt.
Tschernekows kriminelle Aktivitäten waren vielfältig: Waffenhandel, Schutzgelderpressung, Geldwäsche, Steuerhinterziehung und – last but not least – Mord. Na ja, fast all meine Arbeitgeber widmen sich dieser Tätigkeit. Tschernekow war ein brutaler und mürrischer Zeitgenosse und nicht besonders professionell. Dass die Abteilung von Cruz Navarro ihn nicht schon früher hinter Gitter gebracht hatte, war nicht so sehr die Schuld der Polizei als vielmehr der Justiz, die verlangte, dass zuerst tonnenweise Beweisakten angehäuft wurden. Die Richter wollten bei Tschernekow auf Nummer sicher gehen. Schuld daran waren auch die armseligen Fahndungsmittel, die der Kripo von Palma de Mallorca zur Verfügung standen. Zu Tschernekows Glück war das landesweit operierende Sonderkommando zur Bekämpfung Organisierter Kriminalität , GRECO , welches über Personal in Hülle und Fülle verfügte, noch viel dickeren Fischen als ihm auf den Fersen.
Wie ich schon sagte, wollten Richter und Justiz den Fall niet- und nagelfest vorgelegt bekommen, und der Russe verstand es, wenngleich er nicht der Hellste war, sich geschickt zu tarnen. Er verfügte über eine große Anzahl Strohmänner, Lakaien und Personen, die bereit waren, an seiner Stelle ins Gefängnis zu wandern. (In der Sowjetunion war ein Aufenthalt hinter Gittern oft überhaupt die einzige Möglichkeit, in der kriminellen Rangordnung aufzusteigen.) Das war der Grund, weshalb sich Sergej Tschernekow seinen Verfolgern so lange hatte entziehen können.
Cruz lag inzwischen schon fast ein Jahr auf der Lauer. Sie war Tschernekow immer näher gekommen und hatte Berge von Indizien gesammelt. Vor drei Tagen war der Russe schließlich in die Falle getappt. Er hatte sich von der Hilfskommissarin bei einem Gespräch abhören lassen, in dessen Verlauf er sich recht detailliert über seine nächste gewinnbringende Aktion geäußert hatte: Rauschgiftschmuggel. Um die Wahrheit zu sagen: Er hatte sich dabei nicht ganz »freiwillig« belauschen lassen. Und wären die von Cruz benutzten Methoden einem Untersuchungsrichter zu Ohren gekommen, hätte die Polizistin ein dickes Problem gehabt. Doch nach so vielen Monaten der Verfolgung hatte Cruz es satt und beschloss, einmal diskret gegen die Regeln zu verstoßen. Manchmal muss man eben kreativ sein … Wer könnte das besser verstehen als ich. Kreativität ist ein unabdingbarer Bestandteil unseres Jobs.
Sergej Tschernekow hatte die Abwesenheit seiner Frau genutzt, um einen Kumpel zum Abendessen mit anschließender Sexorgie einzuladen. Sie dinierten in Gesellschaft mehrerer Damen, die der Russe aus einem seiner Luxusbordelle heranschaffen ließ. Unterdessen lauerte Cruz zwischen Kiefern und Gestrüpp, Grillen und Moskitos in der Nähe der Villa
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