Der Protektor (German Edition)
zwei Gläsern heraus und schenkt ein. „Einen Schluck?“, fragt er. „Das hilft selbst in Ihrer Lage. Es ist ein guter Kognak aus Zypern.“ „Sie sind nicht eben geistreich“, sage ich mit fremder Stimme. „Mit einem gefesselten Gegner kann jeder seinen Spott treiben. Und ihm einen Kognak anbieten.“ Er hebt die Hand. „Einen Moment! Sie sind wieder vorschnell.“ Er tritt hinter mich, lockert den Strick, sodass ich die Arme ein bisschen bewegen kann. Van Aelst gibt mir das Glas und setzt sich neben mich. „Probieren Sie ihn!“ Er lächelt über mein Zögern. „Es ist nichts Pharmazeutisches drin, der Kognak ist sauber.“
Er führt das Glas an die Lippen und schnuppert. Sein Gesicht verzieht sich zu einer zufriedenen Grimasse. Ich habe keine Gewähr, dass der Kognak wirklich sauber ist. Es gibt nämlich Gläser, in denen die erforderliche Substanz von vornherein enthalten ist. Sie weicht den Willen auf, zerstört die Widerstandskraft. Man wird zu einem Weichling. Doch das ist jetzt völlig bedeutungslos. Ich habe ihn gesehen, weiß, wer Peet van Aelst ist. Was er da von Chancen erzählt hat, ist glatte Lüge. Manchmal ist es sogar besser, wenn man mit getrübtem Bewusstsein, ohne Gedanken und ohne Bedauern stirbt. Ich hebe das Glas so gut es geht, und der Duft sonnenheißer Erde, reifer Weintrauben und nach Meer steigt mir in die Nase. Orangefarbene Funken brechen sich in den Tropfen und gehen in hellblaue Reflexe über. „Jetzt können Sie erzählen“, sagt van Aelst. „Alles, was Sie über den Fall… mit ihrem Doktor wissen. Ich bin geduldig. Und vergessen Sie nicht die Hauptsache: was Sie über die Versuche herausgefunden haben, die mich interessieren.“
„Meinen Sie wirklich, dass ich reden werde?“ „Selbstverständlich!“ Van Aelst grinst unverschämt. „Ich will ja nicht viel, nur das, was ich ohnehin erfahren werde. Sie ersparen mir zehn, elf Tage und ein paar Unannehmlichkeiten mit den Kollegen. Und Sie erhalten als Gegenleistung alles: ihr Leben. Sie verlassen dieses Haus und fliegen morgen in aller Ruhe ab.“ Anscheinend habe ich eine Grimasse nicht unterdrücken können. Er sieht mich an und fährt fort: „Sie fliegen ab und nehmen Ihre Ermittlungsergebnisse mit, die Sie, wie ich annehme, schon auf einem sicheren Weg abgeschickt haben… Sodass Sie eigentlich gar nichts bei sich haben werden. Habe ich recht?“ Ich schweige. „Sehen Sie?“ Van Aelst lächelt schief. „Sie verlieren nichts. Und warum sollte ich Sie… auspusten, nachdem ich die Informationen erhalten habe? Um die gesamte Polizei zu alarmieren, wenn Sie morgen nicht auf dem Flugplatz erscheinen? Ich habe die Absicht, noch länger in Krongatan zu bleiben.“ Da hat er recht. Die Garantie für mein Leben ist der Verrat. Van Aelst unterbricht für einen Augenblick seine Tirade, als horche er auf etwas, dann nimmt er einen Schluck Kognak und verzieht die Lippen: „Sie glauben mir nicht? Mit gutem Grund. Ich glaube Ihnen auch nicht. Und damit wir im reinen sind, sagen Sie mir jetzt, ob Sie allein zu der Lösung gelangt sind oder ob Ihnen jemand geholfen hat.“ Er ist geschwätzig, sogar allzu sehr. Und fühlt sich als Herr der Lage. Ich gewinne dadurch Zeit. Minute für Minute. „Man hat mir geholfen.“ „Wunderbar!“ Van Aelst hebt sein Glas. „Wir fangen an zu reden. Und wenn zwei wie wir sich unterhalten, besteht die Hoffnung, dass sie sich verständigen. So. Kann ich die erste Frage stellen?“ „Einerlei!“ „Oh, das ist nicht einerlei!“ Van Aelst schüttelt den Kopf. Er wird einen Augenblick nachdenklich, als horche er abermals auf etwas. Dann steht er auf, nimmt mein Glas und geht zur Bar. Dort steht die Flasche. Er gießt ein. Ich drehe langsam den Kopf, als folgte ich seinen Hantierungen und merke, irgendwo in der Nähe ist jemand, vielleicht im Vorraum. Seine Kleidung hat geraschelt, oder er hat Atem geholt. Van Aelst hört es nicht. Er schaut auf die Gläser, gießt noch ein wenig nach, stellt die Flasche weg und will etwas sagen… Ein Krach! Die halb offene Tür wird weit aufgestoßen. Im Rahmen steht der kleine mit den Raubvogelaugen, eine Maschinenpistole unter dem Arm. Van Aelst erstarrt. Er hält das eine Glas in der Hand, stellt es nicht weg, dann hebt er langsam die Hände. Das Glas neigt sich, über das graue Jackett laufen dunkle Tropfen.
„An die Wand!“, befiehlt der mit der Maschinenpistole. „Und ohne faule Tricks!“ Ein Blick auf mich genügt, damit er begreift, dass ich
Weitere Kostenlose Bücher