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Der Puls von Jandur

Der Puls von Jandur

Titel: Der Puls von Jandur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mara Lang
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sich in unzähligen Bächen seinen Weg über seine Taille. Er lag in einer Pfütze und immer noch strömte mehr aus ihm heraus. Mehr Blut, doch keine Schmerzen. Die Nymure sang und eine winzige Ahnung flatterte durch sein konfuses Denken, warum es so sein musste.
    Er konnte ihn sehen. Seinen Puls. Dieses grüne, wogende Etwas an Energie, dass er, ja er! , entfacht hatte. Dass die Kaiserin aus ihm herausgeschnitten hatte. Mit ihren Fingernägeln. Ohne ihn auch nur zu berühren.
    Der Puls verblasste. Längst war seine entfesselte Kraft verpufft. Nur mehr feinste Fäden banden ihn an seinen Körper, nahe daran zu reißen.
    Er wurde schwächer.
    Er starb.
    Wieder.
    Und sie war da, hier bei ihm.
    Ungläubig schaute er zu, wie Lith sein blutgetränktes Hemd aufriss. Kaum lag sein Bauch frei, schossen die Tentakel aus ihren Handgelenken und ihre Fascia entfalteten sich mit leisem Knistern. Und wieder war er bezaubert von ihrer vollkommenen Schönheit.
    Vorsichtig legte sie ihre Hände um die Wunde und ließ die türkisfarbenen Fächer darüber aufsteigen. Sie tasteten sich an den Puls heran, hauchzarte Flügelschläge streiften ihn. Matteo spürte die Berührung in jeder Nervenfaser. Er erschauerte.
    »Ja, komm«, hauchte sie. »Lass dich fallen. Komm zurück.«
    »Nein«, flüsterte er. Was konnte sie noch bewirken? »Ich kann nicht zurück.«
    »Musst du mir immer widersprechen?« Tränen schimmerten in ihren Augen, rollten eine nach der anderen über ihre Wangen. Grüne Tränen. So wie seine. »Ich habe dich belogen. Jedes Wort, das ich zu dir sagte, war eine Lüge …«
    »Jedes?« Auch, dass sie sich in ihn verliebt hatte?
    »Fast jedes. Doch jetzt – und das schwöre ich bei den Smaragdflüssen – bin ich ehrlich. Ich bin deine Freundin. Bitte, Matteo, lass dich fallen.«
    Noch zögerte er. »Wie?«
    »Lass dich fallen, wehre dich nicht länger, kämpfe nicht. Sie ist weg. Sie kann dir nichts mehr antun. Nur ich bin hier. Und du.«
    Er ließ sich fallen.
    Und sie fing ihn auf.
    Die Fächer umhüllten den Puls und er erglühte mit letzter Kraft. Unter Matteos Haut prickelte es, winzige Stromstöße liefen über seinen Körper, blaue und grüne Funken stoben auf.
    Er konnte Liths Gedanken in seinem Kopf hören, konnte in ihr Herz sehen. All den Kummer, ihre Ängste und Hoffnungen, ihr wahres Wesen, all das, was sie so gut vor ihm verborgen hatte, alles, was sie bewegte, war in ihm und er wusste, dass es umgekehrt genauso war. Nie zuvor hatte er etwas Schöneres gefühlt.
    »Lith …«
    Langsam senkte sie den kleinen grünen Lichtball, der von seinem Puls übrig war, nach unten auf seinen zerstörten Soplex zu, bis er in ihren Händen lag, zugedeckt von den Fascia. Diesen wundersamen Flügeln.
    »Ich halte dich«, wisperte sie. »Ich halte dich.«
    In diesem Moment erstarb der Gesang der Nymure. Von Matteos Lippen löste sich ein Schrei. Der Schmerz tobte in seinem Bauch, nahm ihm den Atem, sein Herzschlag holperte. Ihm wurde schwarz vor Augen.
    »Veloy!«, hörte er Lith schreien. »Jetzt oder es ist zu spät! Veloy!«
    Ihre Stimme entschwand, ihr Geist entglitt ihm. Er fühlte sich plötzlich leer und verlassen. Kälte kroch in seine Adern, alles erstarrte zu Eis.
    »Veloy …« Ganz leise schon. »Veloy, schnell … ich verliere ihn …«
    Dann war da ein Brennen, das den gefühlten Schmerz übertraf. Er keuchte auf.
    »Ja, ja, langsam … jetzt mehr … warte. Komm schon, Matteo … Du schaffst das … Nicht aufgeben … Gib ja nicht auf, hörst du? Noch ein bisschen, Veloy … So ist es gut …«
    Ihre Stimme verlor sich im Dunkel.
    Als Matteo die Augen aufschlug, war seine Sicht erstaunlich klar. Irgendjemand schleppte ihn durch den Korridor. Er war unfähig aufzustehen und mitzuhelfen, geschweige denn den Kopf zu heben. Zu schwach.
    Zwei Soldaten rannten vorbei, erhitzt und mit gezückten Schwertern. Ein Blutstropfen landete auf Matteos Stirn. Unerwartet kühl. Erst als sie außer Sichtweite waren, wurde ihm bewusst, dass sie beige Uniformen trugen.
    Nador , wollte er sagen, aber das Wort klebte an seiner Zunge fest. Nur ein Stöhnen kam ihm über die Lippen.
    Lord Nador war hier. Er glaubte es zu wissen, nein, fühlte, dass es so war. Er war hier, seine Männer würden Eznar erobern. Bestimmt.
    Sein Herzschlag hämmerte gegen seine Kehle. So sehr er auch um Atem rang, die Luft, die in seine Lungen strömte, schien nicht genug zu sein.
    Sie hielten an.
    Ein Junge beugte sich über ihn. »Halte durch. Nur noch

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