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Der Puls von Jandur

Der Puls von Jandur

Titel: Der Puls von Jandur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mara Lang
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Ahnung. »Khor war der Lichtpuls, ich bin der Lichtpuls«, murmelte er vor sich hin und auf einmal verschoben sich die Grenzen. »Also bin ich … Khor?«
    Lith schluckte merklich. »In gewisser Weise.«
    »Bin ich oder bin ich nicht?«
    »Du bist Matteo, aber in Khors Körper.« Die letzten Worte waren so leise, dass Matteo nicht wusste, ob Lith sie auch wirklich ausgesprochen oder ob sein Gehirn den Satz vollendet hatte.
    »Beim ersten Transfer ging alles schief«, fuhr sie fort. »Dein Puls war zu fest in der Splitterwelt verwurzelt, er blieb zurück. Und dein Körper kam erst recht nicht in Jandur an. Er ging unterwegs irgendwo verloren …« Sie brach hilflos ab.
    »Verloren?«, fragte Matteo stockend. Die Übelkeit meldete sich zurück, sein Magen schmerzte.
    »Er ist unauffindbar. Vielleicht hängt er ja noch zwischen den Welten fest, aber Lev-Chi ist der Ansicht, dass er … also, dass du inzwischen … gestorben bist.«
    Er war tot. Und er lebte. Beides zugleich. Die Erkenntnis war so verwirrend, dass Matteo sie schnell wieder zur Seite schob.
    »Und Khor?«
    »Er wurde in einer Schlacht verwundet – daher diese Narbe. Lev-Chi tat, was er konnte, aber es war zu spät. Der Puls war in die Quellenergie eingegangen und für immer dahin. Und mit ihm Nadors Träume. Dann kam Lev-Chi auf die Idee, den Lichtpuls in der Splitterwelt aufzuspüren und herzubringen. Dabei passierte das Unglück. Es war nicht vorgesehen, deinen Puls in Khors Körper zu stecken. Er war bereits begraben.«
    »Ein toter Körper beginnt doch zu verwesen.«
    »Lev-Chi hat seine Methoden.«
    »Magie?«
    »Unter anderem.« Lith atmete durch. »Es war ein Experiment. Keiner wusste, ob es gelingen würde.«
    »Experiment«, wiederholte Matteo heiser. Er war tot, weil ein Experiment missglückt war, und er war am Leben, weil ein anderes gelungen war.
    »Es war Rettung im letzten Moment. Dein Puls war schon so schwach …«
    Lith redete nun ohne Unterlass, aber Matteo hörte nicht mehr zu. In seinem Verstand wirbelte ein riesiger Strudel, der alle sinnvollen Überlegungen mit sich fortriss. Nichts blieb zurück, nur die quälende Ungewissheit, wie es jetzt weiter gehen sollte.
    »Matteo?«
    »Wir müssen hier weg, sagst du?«
    »Ja, zu Dylora. Nach Wonhális, zu ihrem Palast. Nur dort bist du vor Nador geschützt. Und sie besitzt eine Weltenspirale. Außerdem kennt sie Mittel und Wege, um herauszufinden, was wirklich mit deinem Körper geschehen ist. Oder wo er sich befindet. Ob er noch … am Leben ist.«
    Matteo nickte. »Gut.«
    »Gut?«, fragte sie verwundert. »Du kommst mit?«
    »Habe ich denn eine Wahl?«
    »Nein. Nicht, wenn du wieder zurück in deine Welt willst.« Lith erhob sich. »Wir müssen durch das Fenster, auf den Gängen stehen überall Wachen. Du kannst doch klettern, oder?«
    »Oh, ja. Klar. Auf einem Seil, einer Leiter – was immer du willst.«
    »Ähm, ich fürchte, das kann ich dir nicht anbieten.«
    »Natürlich nicht.« Matteo verdrehte die Augen. »Warum überrascht mich das nicht. Was also dann?«
    »Efeu.«
    »Dann sollte ich mir etwas anderes anziehen. Der Mantel ist beim Klettern eher unpraktisch.«
    »Ja. Mach schnell.«
    Die schweren Türen des Schranks schwangen geräuschlos nach außen auf, in seinem Inneren war es finster und es roch penetrant nach Lavendel. Matteo tastete über feinen Stoff, Samt, Leder und kühles Metall. Ein Kettenhemd?
    Was von dem Zeug sollte er anziehen? »Ich kann absolut nichts sehen.«
    Lith trat neben ihn. »Lass mich mal.«
    Er hörte, dass sie sich den Handschuh auszog, hörte es knistern, dann wühlte sie in den Stofffluten. Der Reihe nach drückte sie ihm eine Hose aus weichem Leder, ein Hemd und eine ärmellose Jacke in die Hand.
    »Findest du Unterwäsche?«, fragte Matteo. Was trug man hier anstelle von Shorts oder Slips?
    »Unterwäsche? Ach, du meinst unter der Hose? Hm … ja, hier.« Sie reichte ihm eine knielange Hose aus grobem Leinen mit Kordelzug.
    »Na super.«
    Matteo brauchte eine halbe Ewigkeit, im Dunkeln all die Verschnürungen zu öffnen und wieder zuzuziehen. Reißverschluss? Knöpfe? Welch segensreiche Erfindungen der Neuzeit! Liebend gern wäre er jetzt einfach in seine Boxershorts und Jeans geschlüpft.
    Ungeduldig stand Lith daneben, murmelte solange »Beeil dich« und »Mach schon«, bis Matteo ihr mit einem Knurren zu verstehen gab, dass es nicht schneller ging, wenn sie ihn so hetzte. Von da an war sie still, schickte nur ihre langen Atemzüge zu ihm

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