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Der Puls von Jandur

Der Puls von Jandur

Titel: Der Puls von Jandur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mara Lang
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beste Gelegenheit, den Feind an der schwächsten Stelle zu treffen. Das hätte sich Nador eigentlich denken können.
    Sie stöhnten beide auf, als sie bei der Koppel ankamen. Sie war leer. Wie sollten sie jetzt entkommen?
    »Wir müssen zurück«, erklärte Lith.
    »Bist du irre?« Matteo wandte den Kopf. Über den Zelten im Westen hing roter Flammenschein, Rauch stieg auf, der Kampflärm war unüberhörbar.
    »Doch«, beharrte sie. »Wir verstecken uns irgendwo und warten auf herrenlose Barcas. Das kann nicht allzu lang dauern.«
    »Na schön. Schön. Warum auch nicht. Ich wollte immer schon bei einem Gemetzel live dabei sein. Im Kino wirkt es immer so gestellt. Wollen wir Wetten abschließen? Wer gewinnt oder so?« Erneutes Brüllen trieb ihm Kälteschauer über den Rücken. »Scheiße, was ist das?«
    »Ein Crouwek.« Es klang gepresst. Dieser Crouwek bekam ihrer großen Klappe offenbar nicht besonders gut.
    »Was ist ein Crouwek? Sag schon!«
    »Das willst du nicht wissen.«
    »Doch! Will ich! Schluss mit der ewigen Geheimnistuerei! Ich will alles wissen, alles! Es betrifft mich genauso wie dich. Verstehst du?« Er schüttelte sie. »Verstehst du das, Lith?«
    Im fahlen Licht des Morgens war sie bleich wie ein Laken. »Ja.« Ihre Hand flog an ihren Mund, sie starrte mit aufgerissenen Augen an Matteo vorbei. Er fuhr herum.
    Sein Gehirn erfasste nur Einzelteile. Graues Fell. Spindeldürrer Körper. Hochgezogene Lefzen. Gebogene Reißzähne. Ein Mensch. Ein Wolf. Beides?
    Das Knurren hörte er erst, als ihn der Blick des Ungeheuers traf. Glühend rot. Berechnend und intelligent.
    Tödlich.

Elf
    Gleich, gleich würde sein Herz ein Loch in seine Brust hämmern. Wahrscheinlich noch bevor es diese Bestie herausriss. Fünf Meter trennten sie voneinander. Großzügig berechnet.
    »Wolfsmenschen«, flüsterte Lith. »Crouweks sind Wolfsmenschen. War es das, was du wissen wolltest?«
    »Bei genauerer Betrachtung – nein.« Matteo kriegte kaum den Mund auf, was ohnehin besser war. Ihm war schlecht. »Laufen? Oder stehenbleiben?«
    »Das fragst du mich?«
    »Du bist hier die Expertin.«
    Der Crouwek taxierte sie immer noch. Er stand aufrecht, auf zwei Beinen, und zeigte ihnen seine unbehaarte Brust und den daumennagelgroßen Soplex. Graue Haut spannte sich über seine Rippen, die sehnigen Arme waren unnatürlich lang und endeten in Klauen, die mit scharfen Krallen besetzt waren. An der Außenseite spross das Fell hoch bis zum Nacken, der breit und kräftig war und den Wolfsschädel trug.
    In seiner schwarzen Hose wirkte er geradezu lächerlich, und Matteo fragte sich, ob hinten wohl sein Schwanz rausguckte. Er fühlte sich an Rotkäppchen erinnert, stellte sich den Kerl mit Spitzenhäubchen in einem Bett vor und lachte auf.
    Lith sandte ihm einen Blick, der ihn als reif für die Irrenanstalt abstempelte. Das kam der Sache ziemlich nahe. Nach allem, was er in den letzten Tagen erlebt hatte …
    Das Knurren schwoll an. Der Crouwek klappte sein Maul auf und entließ das nächste Brüllen. Roter Schleim troff von seinem Unterkiefer, Fleischfetzen hingen zwischen seinen Zähnen – er hatte schon getötet. Matteo lachte nicht mehr, er fingerte nach seinem Messer.
    Worauf wartete das Ungeheuer? Wollte es abschätzen, was sie ihm entgegenzusetzen hatten? Nicht viel. Ein Messer! Angesichts des zwei Meter großen Wolfsmenschen ein nutzloses Ding. So gut wie nichts.
    Matteo wünschte sich ein Schwert herbei und dazu eine große Portion Mut. Die von Khor.
    »Weg hier, ganz langsam.« Lith drängte ihn Schritt für Schritt zurück, was der Crouwek zum Anlass nahm, einen Satz nach vorn zu machen. Er reckte den Hals und stieß ein durchdringendes Heulen aus.
    »Rennen!«, rief Lith und startete los.
    In diesem Moment bremste ein Barca aus vollem Galopp vor ihnen ab, Sand peitschte auf. Vor Schreck sprang Matteo zur Seite, geriet mit dem Fuß zwischen Liths Beine, und sie schlugen beide der Länge nach hin. Das Messer fuhr wenige Zentimeter neben ihrer Schläfe in den Sand. Filmreif. Matteo rappelte sich auf und steckte das Messer zurück. Er konnte ja doch nichts damit anfangen.
    Liths Gesicht war schmerzverzerrt. »Mein Fuß«, stöhnte sie.
    »Lauft!«, rief der Soldat.
    Matteo zerrte Lith hoch, doch schon nach wenigen Schritten versagte ihr Knöchel und sie knickte ein. Er griff ihr stützend unter die Achsel, versuchte, sie beide vor Hufen und Klauen in Sicherheit zu bringen. Mit knapper Not entgingen sie dem Prankenhieb des

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