Der Puls von Jandur
deiner, du Idiot. Und jetzt schneide die Fesseln durch.«
»Nein, ich meine, in diesem Krieg. Gehörst du zu Dylora?«
»Ich gehöre zu niemandem. Aber du hast dich scheinbar von Nador in die Irre führen lassen.«
»Er sagt, dass du lügst.«
»Natürlich sagt er das. Wie dämlich bist du?«
»Und dass Dylora Zauberkräfte besitzt.«
»So?«, höhnte sie. »Was man dir alles einreden kann!«
»Wer sind die Crouweks? Und wieso opfern sich die Menschen der Bruderschaft?«
» Was? Schneide mich sofort los, verdammt!«
Liths Stimme war viel zu laut und die Fragerei führte zu nichts. Sie mussten hier weg, bevor es hell wurde. Seufzend gab Matteo nach und durchtrennte die Fesseln.
Sie rieb sich die Handgelenke. »Das glaube ich einfach nicht, nach allem, was ich für dich getan habe.«
»Richtig. Jetzt, wo du es erwähnst – warum tust du das noch gleich? Doch wohl nicht, weil du dich in mich verliebt hast.«
»Du! Du … du eingebildeter, verblödeter …!« Sie ächzte und knirschte mit den Zähnen. Es war das erste Mal, dass ihr die Worte fehlten.
»Lass uns abhauen«, sagte Matteo nur.
Als sie durch den Schlitz in der Zeltplane krochen, murmelte Lith immer noch vor sich hin. Die Nacht hatte an Schwärze verloren, Konturen zeichneten sich ab, ein Lichtstreifen arbeitete sich am Horizont voran. Es wurde höchste Zeit zu verschwinden, bald würde der Tag erwachen und mit ihm das Lager.
»Und jetzt?«, flüsterte Lith.
»Ich dachte an die Barcas.«
»Gut. Weißt du, wo?«
»Ja, komm …«
Ein durchdringender Signalton durchbrach die Stille. Dann ein Warnruf: »Alarm, Alarm! Angriff!«
Matteos Herz klopfte wild. »Das hat uns noch gefehlt.«
»Wohin?«, rief Lith.
»Da lang!« Er packte sie an der Hand und zog sie mit sich mit.
An der Hauptgasse prallten sie zurück. Das Lager hatte sich in einen Hexenkessel verwandelt. Aus allen Winkeln strömten Soldaten hervor, schwarze Gestalten mit klimpernden Utensilien – Brustpanzer, Helme und Schwerter. Sie irrten umher wie ein Rudel junger Hunde, kopflos, unsicher, ohne jeden Plan. Bis eine Stimme von schräg gegenüber erklang.
Matteo erkannte sie sofort: Darak. Er brüllte ein paar knappe Kommandos, so abgeklärt und energisch, als hätte er sich die halbe Nacht auf diesen Ernstfall vorbereitet.
Die Männer reagierten sofort und formierten sich. Paarweise liefen sie durch das Lager, alle in eine Richtung. Zu den Barcas, erkannte Matteo.
»Hinten herum«, sagte er hastig. »Schnell!«
Sie machten kehrt, hetzten von einem Zelt zum nächsten, Soldaten kreuzten ihren Weg, doch es spielte keine Rolle, niemand achtete auf sie. Wieder erschallte das Signalhorn. Eine Gruppe junger Männer überholte sie, und sie drängten sich an die Zeltplane.
Dann eine weitere Stimme, ganz in der Nähe und seltsam schleppend: »Der Junge … wo ist der Junge?«
In Matteo flammte es heiß auf. Lord Nador suchte ihn bereits und er klang nicht gerade fit. Das Schlafmittel!
»Sie da!«, rief Nador. »Suchen Sie den Jungen!«
»Zu Befehl, mein Lord!«
»Nein, halt! Holen Sie erst die Squirra, vielleicht ist er ja dort …« Er stöhnte. »Verflucht!««
»Mein Lord! Ist Euch nicht gut?«
»Geht schon. Los, Mann! Den Jungen. Bringen Sie den Jungen in Sicherheit. Darak! Darak, zur Hölle wo sind Sie?«
»Weiter«, zischte Lith, doch Matteo konnte sich nicht rühren. Das Schlafmittel! Hätte ich nur nicht …
Lith riss an seiner Hand und brachte ihn damit fast zu Fall.
»Jetzt komm schon!«, schrie sie und dann noch etwas, das er nicht mehr verstand, weil ein schauderhaftes Gebrüll ihre Worte zerfetzte. Es hatte nichts Menschliches an sich.
Matteo registrierte die Panik in Liths Augen und seine Beine gehorchten. Was war das?, dachte er und dann nur mehr: Ich bin schuld. Sein Hass auf den Lord war wie weggewischt, das schlechte Gewissen plagte ihn. Ich bin schuld, wenn ihm was zustößt. Wie bei Jakob. Ich bin schuld.
Sie rannten weiter, wichen Soldaten aus, kümmerten sich nicht mehr um Deckung. Schon hörte Matteo die Hufe der Barcas trommeln. In wilder Jagd galoppierten die Männer durch den anbrechenden Morgen, nun in die entgegengesetzte Richtung, dorthin, wo bereits gekämpft wurde. Waffengeklirre und Schreie drangen zu ihnen herüber, die Eindringlinge mussten mitten im Lager sein.
Es ist ein Ausbildungslager, sagte Darak in Matteos Kopf, und plötzlich erschien ihm der Angriff nur logisch. Unerfahrene Männer, der Nachwuchs – ein Überraschungsschlag. Die
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