Der Puls von Jandur
gehen?«
»Ich glaube schon.« Vorsichtig belastete sie den Fuß. »Muss ja. Was … hast du jetzt vor?«
»Was ich vorhabe? Ich? Oder wir?«
»Ich dachte bloß …« Sie sparte sich den Rest. »Zwei Barcas finden?«
Er stand auf. »Gut. Also los.«
Nach ein paar Schritten wurde klar, dass Lith nicht ohne Hilfe gehen konnte. Selbst, als sie den Arm um Matteos Nacken legte, kamen sie nur langsam voran. Die Zelte lagen verlassen, gerade krochen die ersten Sonnenstrahlen darüber hinweg und tauchten alles in goldenes Licht. Der Wind entfaltete Fahnen und Wimpel, die Luft war noch nachtkühl und der Himmel so klar, als hätte ein Maler eine Dose blitzblauer Farbe verschüttet. Morgenstimmung am Campingplatz.
Doch der Lärm der Schlacht, das Klirren der Waffen, die vereinzelten Schreie wollten sich nicht so recht in das friedliche Bild einfügen. Das hier war die raue Wirklichkeit. Hier wurde gekämpft und gestorben. Der Boden dröhnte unter den Hufen der Barcas und rechts vorne schraubten sich Rauchsäulen empor. Dem Geruch nach zu urteilen, konnten es nicht bloß Zelte sein, die da brannten. Matteo hoffte – ja, tief in seinem Inneren hoffte er –, dass es Nadors Männern gelang, den Angriff abzuwehren.
Gleich beim ersten Zelt hielten sie an. Ein kurzer Blick sagte Matteo, dass dies die Unterkunft für sechs Soldaten war. Feldbetten, Kleidung, zwei Truhen, eine Waschschüssel. Vielleicht Trinkwasser und Waffen. Eine gute Gelegenheit für eine Rast. Die letzte und einzige vermutlich.
»Komm«, sagte er und Lith humpelte hinter ihm her. »Setz dich hin, ich sehe mir deinen Fuß an.«
»Da gibt es nichts zu sehen«, murrte sie, hockte sich aber dennoch auf eines der Betten und schnürte ihren Stiefel auf.
Der Knöchel war dick angeschwollen. Wie sie überhaupt hatte umknicken können, war ihm ein Rätsel. Der Stiefel gab genügend Halt.
»Gut gemacht«, sagte Matteo.
»Mein Fuß war verdreht, als du auf mich draufgefallen bist.«
Er nickte. »Vielleicht kann ich ihn bandagieren.«
Matteo sah sich um, konnte aber auf die Schnelle nichts Geeignetes finden. Er krempelte den Ärmel auf. Kurzerhand löste er mit den Zähnen den Knoten an seiner Bandage und wickelte den Verband ab.
»Was ist das denn?«, fragte Lith, als die Schnittwunde zum Vorschein kam.
»Ich hatte eine kleine Auseinandersetzung mit Nador.« Mehr sagte er nicht. Rückblickend gesehen, kam ihm sein Verhalten ziemlich dumm vor. Er war einfach ausgerastet.
»Das sieht aber nicht gut aus, du solltest den Verband drauflassen.«
Sie hatte Recht. Die Ameisenzangen waren zugeschwollen, ein farbloses Sekret sickerte aus den verbliebenen Löchern. Das beständige Puckern hatte er längst ausgeblendet.
Matteo zuckte mit den Schultern. »Dass du halbwegs gehen kannst, ist wichtiger.«
Er legte ihr die Stützbandage an und wirklich konnte Lith danach besser auftreten.
»Na bitte«, meinte Matteo und half ihr in den Schnürstiefel. »So ein Erste-Hilfe-Kurs zahlt sich eben aus.«
»Heißt das, du bist so was wie ein Arzt?«
Matteo grinste. »Nein, mehr eine Krankenschwester.«
»Kranken schwester ? Verstehe ich nicht.«
»Macht nichts. Vergiss es.«
Matteo inspizierte den Wasserkrug. Das Wasser schien sauber zu sein. Er kostete. Etwas abgestanden, aber in Ordnung. Er trank gut die Hälfte und reichte den Krug an Lith weiter.
»Wo ist eigentlich dein Proviantsack abgeblieben?«, fragte er. »Wir könnten einen Trinkschlauch gebrauchen.«
»Keine Ahnung. Im Zelt?«
»Hm. Wenn wir daran vorbeikommen, werden wir nachsehen.«
Sein Gerede kam ihm so nichtssagend und unnötig vor, aber es half, das Chaos in seinem Kopf auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Denn das, worüber er lieber gesprochen hätte, war in Wahrheit zu schmerzhaft und verwirrend. Und außerdem ablenkend. Es musste warten, bis sie nicht mehr Gefahr liefen, hier getötet zu werden.
Der Reihe nach öffnete Matteo die Truhen, fand aber nur Kleidung und Decken.
»Ich brauche ein Schwert oder so was«, erklärte er. »Dem nächsten Crouwek will ich nicht unbewaffnet gegenüber stehen.«
Lith sah ihn forschend an, die Augenbrauen hochgezogen. »Kannst du damit umgehen?«
»Khor konnte es.«
»Oh.«
Nur Oh . Sonst nichts. Entweder hatte ihr das Erlebnis vorhin mehr zugesetzt, als sie zugeben wollte, oder ihr fehlte der rechte Plan, wieder die Oberhand zu gewinnen. Matteo hatte zumindest den Eindruck, dass ihr alle Felle davonschwammen.
Der Reihe nach durchsuchten sie zwei
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