Der Puls von Jandur
gefressen. Was Matteo von sich nicht behaupten konnte. Ihm knurrte der Magen. Der Fisch hatte nicht lange vorgehalten und bis auf ein paar Schluck Wasser hatten sie nichts gefrühstückt. Über den Streit am Abend war nicht ein Wort gefallen, und auch der Kuss lief unter abgehakt . Alles war wie immer.
Matteo hatte kurz darüber nachgedacht, wie er sich ohne Lith durchschlagen könnte, es aber ziemlich schnell wieder als Irrsinn abgetan. Allein war er in Jandur aufgeschmissen, selbst wenn Nador ihn fände, so würde er ihm niemals gestatten, in seine Welt zurückzukehren, bevor er nicht diese Prophezeiung erfüllt hätte.
Er schob den Gedanken von sich. Seine einzige Chance war nach wie vor die Kaiserin. Und damit Lith.
Drei Tage ritten sie ohne große Worte und ihr Leben bekam einen Rhythmus. Die Landschaft war hügelig und grün, die Hitze nahm ab. Sie galoppierten über saftige Wiesen, durch lichte Wäldchen, querten Bäche und passierten dunkelblaue Tümpel, über denen Libellen tanzten.
In der Ferne tauchten immer wieder rote Hausdächer auf, doch sie hielten sich stets abseits. In Matteo festigte sich die Gewissheit, dass Lith absichtlich einen großen Bogen darum machte. Sie wollte niemandem begegnen, wollte nicht in Erklärungsnot kommen, ganz eindeutig.
Die Nächte verbrachten sie im Freien, auf weichen Moosteppichen, im Schutz von Bäumen oder trockenen Erdmulden, stets darauf bedacht, dass die Barcas mit ausreichend Gras und Trinkwasser versorgt waren. Die Temperaturen sanken abends rasch ab und sie froren entsetzlich in ihrer dünnen Kleidung.
Ihre Mahlzeiten waren karg und immer abhängig davon, was sie finden konnten. Beeren, Kräuter oder Pilze, einmal grub Lith mit dem Messer Wurzeln aus. Meist waren sie aber zu müde, um länger danach zu suchen und so wurde der Hunger immer größer. Am Abend des dritten Tages konnte selbst Lith ihn nicht länger verdrängen. Im nächsten Dorf, erklärte sie, würden sie versuchen, etwas Essbares aufzutreiben. Erwartungsvoll hielt Matteo danach Ausschau, aber seine Geduld wurde erst bei Einbruch der Dämmerung belohnt.
Das Dorf war wie ausgestorben. Schiefe Fensterläden knarrten im Wind, Holztore standen offen, in den Gärten vermehrte sich das Unkraut, die Stallungen waren leer. Sie sahen keine Menschenseele. Es war beklemmend.
»Wo sind die Leute alle hin?«, fragte Matteo. »Hier muss doch irgendwer wohnen?«
Lith bediente sich ihrer üblichen Methode, sie zuckte die Achseln und gab einfach keine Antwort.
Im letzten Haus wurden sie endlich fündig. Es war ein langgezogenes Gebäude mit einem angrenzenden Stall und einer Scheune. Allzu lang konnte es noch nicht leer stehen, die Fensterscheiben waren heil, die Farbe an Rahmen und Türen nicht verwittert, der Zaun intakt.
Nur der Garten war verwildert. Sie ließen die Barcas frei und sammelten ein, was er an Früchten und Gemüse hergab: rotbackige Äpfel, Karotten und Kartoffeln, sogar Mais und Kürbis.
Nachdem der erste Hunger gestillt war, schlug Lith vor, ein Feuer zu machen. Triumphierend hielt sie die nötigen Utensilien in die Höhe, die sie im Haus aufgestöbert hatte: Feuersteine und Zunder. Holz fanden sie entlang der Hausmauer aufgeschichtet.
Sie machten es sich vor der Scheune gemütlich. Matteo schaffte es auf Anhieb, den Steinen ein paar Funken zu entlocken und bald flackerte ein wärmendes Feuer. Sie warfen Kartoffeln in die Glut, grillten den Mais und schlugen sich die Bäuche voll.
Auch für die nächsten Tage war gesorgt. Lith hatte aus altem Stoff einen Beutel geknotet und sie hatten genügend Vorräte hineingepackt. Die Welt sah schon ein wenig besser aus als am Morgen.
Was Matteo am meisten Sorge bereitete, war sein Arm. Die Wunde hatte sich entzündet und schmerzte bei jeder Bewegung. Sie gehörte dringend behandelt und zwar professionell, nicht von einem Meister , der Ameisen zum Nähen einsetzte. Matteo hatte keine Ahnung, wie lange es dauern konnte, bis daraus eine Blutvergiftung wurde. Oder irgendwas ähnlich Schlimmes. Er hatte von Wundbrand gehört, das war früher gang und gäbe.
Zum Schlafen legten sie sich nebeneinander ins Heu. Matteo packte den iPod aus. Sie steckten sich jeder einen Stöpsel ins Ohr und hörten einträchtig Musik.
Matteos Gedanken flatterten auf wie ein Schwarm kleiner, nachtschwarzer Vögel: Ich finde dich, hat er gesagt. Und wie? Der iPod, sie hat den iPod mitgehen lassen, diese Kröte! Wer hat ihr eigentlich die Dreadlocks gedreht? Ob Dylora
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