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Der Puppengräber

Der Puppengräber

Titel: Der Puppengräber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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können. Die freiwilligen Helfer hatten die Suche inzwischen aufgegeben. Unsere Ansicht, dass Britta Lässler in einem Auto verschleppt worden war, hatte sich herumgesprochen und deckte sich mit den Ergebnissen der Suchaktion. Es ging niemand mehr davon aus, das Mädchen in der Umgebung des Dorfes zu finden.
    Nachdem Ben das Haus durch den Keller verlassen hatte, schlich Trude hinauf in sein Zimmer. Sie hatte eigentlich mit ihm gehen wollen. Aber das hätten die Beine nicht geschafft, der Kopf und das Herz auch nicht. Sie stellte sich ans Fenster, konnte ihn aber nicht entdecken.
    Kurz vor zwölf klingelte es an der Haustür. Trude schleppte sich hinunter, öffnete bereits den Mund, um der Polizei zu sagen, dass ihr Mann auf der Arbeit und ihr Sohn unterwegs sei. Aber vor der Tür stand nur Tanja mit verweintem Gesicht. Antonia hatte sie heimgeschickt, um mit Ben zu reden.
    Trude setzte sich mit ihr in die Küche. «Ich hab ihn rausgelassen», sagte sie. Und obwohl sie einander sonst kaum etwas zu sagen hatten, Ben brachte sie ein wenig näher.
    Tanja weinte wieder, um Britta und um den Bruder. «Wenn ich mitgegangen wäre   … Ich verstehe nicht, warum er sie nicht nach Hause gebracht hat.»
    Dann klappte unten die Kellertür. Trude seufzte leise. «Da kommt er, du gehst jetzt besser.»
    Aber Tanja wollte unbedingt mit ihm reden. «Lass es mich versuchen, Mama. Antonia meint auch, dass er vielleicht etwas weiß. Und ich verstehe ihn bestimmt. Ich verstehe nämlich eine ganze Menge. Weißt du, wenn er zum Beispiel Rabenaas sagt. Ihr denkt immer, er schimpft. Aber das tut er nicht. Er meint damit nur, dass jemand tot ist oder dass etwas passieren kann, wenn man nicht aufpasst.»
    Als Ben in die Küche kam, sprang Tanja auf, machte einen Schritt auf ihn zu und sah, dass er einen Beutel in der Hand hielt. Es war ein schmutziger, blauer Plastiksack. Trude kannte die Art von Säcken. Einige im Dorf benutzten sie für Grünabfälle. Sie hatte auch eine Rolle davon im Keller und ging davon aus, dass er im Hinausgehen einen Sack genommen hatte. Es war nicht viel darin, nur ein runder Gegenstand – wie ein Ball.
    «Du gehst jetzt besser», wiederholte Trude und streckte die Hand nach dem Sack aus. «Du kannst morgen mit ihm reden.»
    Tanja schüttelte den Kopf, fragte mit gerunzelter Stirn: «Was hast du da, Bär?»
    Er lächelte schief mit geschwollenen Lippen. «Fein», sagte er. Dann trat er mit dem Sack in der Hand auf den Küchentisch zu. Trude wusste, dass kein Ball in dem Sack war. Sie hatte ihn nicht aufgefordert, nach einem Ball zu suchen. Und in der Zeitung war nur das Gesicht abgebildet. Er griff in den Sack und legte den Kopf auf den Tisch. Brittas Gesicht lächelte nicht mehr, es war erschlafft und blutig.
    Den Schrei ihrer Tochter hörte Trude nicht. Sie sah auch nicht, dass Tanja aus der Küche stolperte und Ben hinterherlief, hörte nicht, dass die Haustür hinter beiden ins Schloss fiel. Trude sah nur das erschlaffte, blutige Gesicht und hörte, wie das eigene Blut durchs Hirn dröhnte.
    Sie fasste den Kopf vorsichtig bei den Haaren, steckte ihn zurück in den Sack und trug ihn hinaus in den Garten. Bis Jakob heimkam, verging noch eine halbe Stunde, in der Trude ein Loch grub, den Sack hineinsteckte, Erde darauf häufte und ein paar von den welken Salatköpfen hineinsteckte. Sie war gerade fertig, als Jakob auf den Hof fuhr.

HOCHZEIT
    Für die Menschen im Dorf war Marlene Jensen das erste Opfer dieser furchtbaren Sommerwochen. Von Svenja Krahl wusste nur Trude – allerdings nichts Genaues. An Althea Belashi dachte kaum noch jemand. Und niemand ahnte, dass für Ben im November 94 ein Wunder geschehen war. So wie für Jakob Edith Stern von den Toten auferstanden war, wurde auch Bens Warten auf die Artistin belohnt. Bei der Hochzeit von Andreas Lässler und Sabine Wilmrod sah er sie wieder, die vor fünfzehn Jahren so freundlich gewesen und in der Erde verschwunden war.
    Gefeiert wurde im Saal von Ruhpolds Schenke. Das Brautpaar hätte es lieber etwas stiller gehabt. Aber da hätte es am Ende geheißen, der Baumarkt Wilmrod werfe nicht genug ab. Da die Hochzeit vom Brautvater ausgerichtet wurde und er sich nicht lumpen lassen wollte, war alles geladen, was Rang und Namen hatte. Mit Ausnahme von Heinz Lukka, er machte Urlaub.
    Jakob hatte lange gezögert, die Einladung anzunehmen, schließlich war er doch nur noch ein Lagerarbeiter. Dabei war Wilmrod ein patenter Kerl, der nie vergaß, dass er sich aus

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