Der purpurne Planet
Messungen werden aber kaum die erforderliche Genauigkeit haben, zumal auch die Anomalie wahrscheinlich erst am unteren Rand der Exosphäre meßbaren Einfluß auf die Feldstärke nehmen wird.
Zum Glück gibt es aber im Äquatorialgebiet drei Gruppen großer, tätiger Vulkane, zwei davon bilden unregelmäßige Ketten, eine ein Dreieck. Es müßte mit dem Teufel zugehen, wenn wir nicht schon in der Exosphäre die infrarote Abstrahlung aus den Kratern aufnehmen könnten. Damit hätten wir dann eine ganz präzise Orientierung. Uff, das war’s.“
Uwe band sich los, schwebte zur „Küche“ und nahm sich eine Trinkflasche mit Traubensaft. Dann kam er lächelnd zurück und reichte sie Michael. „Statt Blumen!“
Der trank den Saft aus und schnaufte zufrieden. Er wollte es sich vor den anderen nicht anmerken lassen, wie stolz er auf das Lob des Kommandanten war.
„Sachfragen?“ erkundigte sich Uwe. „Nicht? Dann wollen wir die Problematik diskutieren.“
Erich Braune meldete sich. „Die vorgelegte Strategie finde ich richtig, soweit ich das beurteilen kann. Ich würde meine Aufgabe dann darin sehen, während der Landung, vor allem in der zweiten Etappe, alle eingehenden Meßwerte zu verarbeiten, so daß aus den verschiedenen Varianten schließlich ein brauchbares Modell der wirklichen Verhältnisse entsteht.“
„Ist das in der von Michael vorgegebenen Zeit zu schaffen?“ fragte Uwe.
„Ich hoffe. Ja, es muß.“
„Sicherheit geht vor. Wenn du mehr Zeit brauchst, mußt du sie ohne Rücksicht fordern. Klar?“
Erich nickte.
Erika Braune bat ums Wort.
„Sollten wir nicht in der Stratosphäre versuchen, mit den RELAIS-Leuten Funkverbindung aufzunehmen? Auf der Welle, die für den Abruf der Sonden eingerichtet war?“
Uwe wiegte den Kopf. „Wir können es versuchen. Aber nur, wenn wir Zeit dazu finden. Ich glaube nicht, daß das viel Zweck hat.“
„Warum nicht?“ wollte Irina wissen.
„Erstens: Sie können uns noch nicht erwarten. Zweitens: Da sie nur die ersten Sonden bekommen haben, leiden sie unter Mangel an Energie und Ausrüstung. Sie können auch keine Sendeeinrichtung selbst herstellen. Infolgedessen werden sie sich nie weit von ihrem Stützpunkt entfernen. Unter diesen Umständen ist aber der UKW-Funk viel praktischer. Da sowieso ab und an etwas entzweigeht, werden sie nach und nach alle Sender und Empfänger darauf umgebaut haben. Aber wie gesagt – wir können es versuchen.“
Unversehens wurde die Stimmung etwas gedrückt. Alle dachten an das ungewisse Schicksal derer, die ihre Hilfe erwarteten. Ob sie noch lebten? Und wenn ja, unter welchen Verhältnissen?
„Die beste Hilfe ist jetzt eine sichere Landung!“ unterbrach Uwe das Schweigen. „Deshalb bitte ich euch, noch mal gründlich nachzudenken. Ich halte auch Michaels Strategie für richtig. Und trotzdem sind mir die Einwände zu schwach, eigentlich sind es gar keine. Gibt es denn keine Kritik an der Strategie im ganzen? Ich verordne fünf Minuten ungestörtes Schweigen!“
Alle dachten angestrengt nach, auch der Kommandant. Er rief sich alle Landungen ins Gedächtnis, die er bisher navigiert hatte. Wichtig war stets der Zustand des Kollektivs.
Uwe hatte jetzt das sichere Gefühl, ein gut eingearbeitetes und aufeinander abgestimmtes Kollektiv um sich zu haben, und er wußte, daß ihn solch ein Gefühl bisher nie betrogen hatte. Aber auch das mußte noch einmal – prophylaktisch – angezweifelt werden. Hatte wirklich jeder genügend Vertrauen zu den anderen und zum Raumschiff, um kritische Situationen sicher und gelassen meistern zu können? Und es mußten ja nicht einmal kritische Situationen sein – sie würden nicht viel Zeit haben zum Diskutieren, nachher; konnte man sagen, daß sie wirklich schon so weit waren, sich mit einer Andeutung, einem Wort, einem halben Satz über auftretende Probleme verständigen zu können?
Sorgfältig prüfte er in Gedanken jeden Tag, jede Stunde seit ihrer Erweckung, die bestandenen Bewährungsprobleme und die ausgeräumten Mißverständnisse, und er kam zu einem positiven Ergebnis.
Uwe blickte auf die Uhr. Die fünf Minuten waren herum.
„Also – ist euch etwas eingefallen?“
„Die Strategie hat einen Mangel“, erklärte Irina, „sie enthält überdurchschnittlich hohe körperliche Belastungen. Der mehrfache schnelle Wechsel von Schwerelosigkeit und starkem Andruck könnte gesundheitliche Schäden hervorrufen. Und da wir noch nicht wissen, was in der Troposphäre auf uns wartet…
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