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Der purpurne Planet

Der purpurne Planet

Titel: Der purpurne Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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auf dem man sich auskennt, und wenn man genau weiß, was man wagt und wofür.
    Uwe wandte sich an Erika. „Haben die Sorgen um unseren stummen Planeten dich denn schlafen lassen?“
    „Stell dir vor, ja!“ antwortete Erika munter. „Und sogar ohne Tablette. Meinem Erich ist da nämlich noch kurz vor dem Einschlafen ein guter Gedanke gekommen. Er sagt…“
    „Moment!“ unterbrach Uwe sie und hob seine Trinkflasche wie ein Glas. „Auf alle guten Gedanken!“
    Sie stießen pantomimisch an und tranken, und dann sagte Irina: „Aber er soll ihn selbst sagen!“
    Erich wehrte verlegen ab, aber dann ließ er sich doch überreden. „Als fortgeschrittener Teilnehmer der hiesigen Kosmonautenschule möchte ich sagen: Die Sorgen, die wir uns bisher nicht gemacht haben, nützen uns jetzt auch nichts mehr!“
    „Das ist wirklich ein guter Gedanke“, bestätigte Uwe, „und noch dazu treffend formuliert – könnte direkt von mir sein!“
    „Aber vielleicht war es mehr so eine Art Galgenhumor?“ wollte Michael wissen.
    „Hätte ich dann so gut geschlafen?“ fragte Erika zurück.
    „Sorgen oder nicht Sorgen – guter Schlaf und gutes Frühstück sind die Hauptbedingungen für gute Laune“, dozierte Erika fröhlich, „und gute Laune steigert die Arbeitsfähigkeit des Kollektivs.“
    „Womit wir bei der Arbeit wären“, sagte Uwe und schob sein Geschirr in den Tischlift hinein. Die anderen folgten seinem Beispiel.
    „Um Erichs Gedanken weiterzuführen: Die Absolventen der hiesigen Kosmonautenschule haben ihre Examina summa cum laude bestanden. Das gibt uns die Gewißheit, daß sie nun auch in ihrer bevorstehenden Promotion nicht versagen werden. Das Wort hat nun der Dekan der nautischen Fakultät, Professor Kolk!“
    „Ja“, sagte Michael etwas verwirrt. Er zögerte einen Augenblick, weil ihm nichts einfiel, das den angeschlagenen scherzhaften Ton fortführen könnte. Aber dann sagte er sich, daß das vielleicht auch gar nicht angebracht sei. Er räusperte sich und begann.
    „Ich bitte um Verzeihung, wenn ich einen längeren Vortrag halten muß. Meinem Vorschlag liegen die Varianten von Erich und die Beobachtungen der letzten Tage zugrunde. Ihr wißt, daß uns nur wenig neue Meßwerte zur Verfügung stehen. Das macht die Landung kompliziert. Ich bin von den übereinstimmenden Faktoren in Erichs Varianten ausgegangen. Das ist nicht viel. Alle Varianten weisen die Gliederung der Atmosphäre auf, die wir auch von der Erde gewöhnt sind: Exosphäre, Mesosphäre, Stratosphäre, Troposphäre. Zunächst müssen wir jedoch den inneren Strahlungsgürtel passieren. Ich habe auf dieser Grundlage eine Etappen-Strategie ausgearbeitet.
    Zweitens fällt bei Betrachtung der Varianten auf, daß sie, je tiefer wir kommen, um so mehr auseinandergehen. Während beispielsweise die Voraussagen über die Struktur des inneren Strahlungsgürtels wenig voneinander abweichen, herrscht in bezug auf die Troposphäre, wo sich das Wetter abspielt, die größte Unsicherheit, die breiteste Skala von möglichen Verhältnissen. Während jeder Etappe muß also das genaue Vorgehen für die nächsten ausgearbeitet werden.“
    „Ist es sicher, daß das irdische Strukturmodell der Atmosphäre hier zutrifft?“ fragte Irina.
    Uwe sah Erich an. Der nickte. „Im Prinzip muß dieses Modell für jeden Planeten zutreffen, der sich in der Biosphäre eines Fixsterns befindet. Wir kennen aber auch die frühere Struktur speziell dieser Atmosphäre. Der Strahlungsanstieg der Proxima ist auf keinen Fall groß genug, um die Struktur zu verändern.“
    „Kann ich fortfahren?“ erkundigte sich Michael. „Gut. Kommen wir zur ersten Etappe, dem inneren Strahlungsgürtel, etwa zwischen achttausend und eintausend Kilometer Höhe. Das sicherste wäre, ihn in hohen Breiten zu durchbrechen, wo er am dünnsten ist und wo wir die kürzeste Zeit dem wahrscheinlich sehr starken Protonensturm ausgesetzt sind. Aber das hätte zwei Nachteile. Erstens müßten wir unsere jetzige Äquatorialbahn ändern, das würde Zeit und Energie kosten, und zweitens reicht der Strahlungsgürtel dort sehr tief hinab – fast bis an die Ionosphäre. Wir brauchen aber vor allem die Flugzeit in der Exosphäre für die Sammlung von Daten und die Ausarbeitung des weiteren Vorgehens. Wenn ich nun aus Erichs Varianten die stärkste Protonenstrahlung und die größte Ausdehnung des inneren Strahlungsgürtels zugrunde lege, dann reicht immer noch eine Bremsbeschleunigung von fünf g, um alle

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