Der purpurne Planet
Sicherheitsansprüche zu befriedigen und mit hinreichend niedriger Geschwindigkeit in die Exosphäre einzutreten. Dauer maximal sieben Minuten. Ich schlage vor, so zu verfahren.“ Er blickte Uwe an, dann die andern.
„Und bis dahin haben wir noch keine Orientierung?“ fragte Erika.
„Exakt gesprochen, wir wissen noch nicht den Längengrad, über dem wir uns befinden“, antwortete Michael, „denn den Breitengrad können wir astronomisch feststellen.“
Erich schüttelte ungeduldig den Kopf. „Ich schlage vor, Michael trägt alles im Zusammenhang vor, und wir diskutieren dann die gesamte Strategie. Die Unterbrechungen stören das Mitdenken.“
Uwe lächelte. „Es ist gut, daß du ungeduldig bist. Aber vergiß nicht, du bist in dieser Sache Fachmann, das geht nicht allen so. Trotzdem… Vielleicht machen wir es so: Michael legt uns seine Ansichten dar, und wenn jemandem eine Einzelheit unklar ist – aber nur eine Einzelheit –, macht er sich bemerkbar. Einverstanden?“
Alle nickten. Uwe gab Michael das Zeichen fortzufahren.
„Die Exosphäre beginnt spätestens bei tausend Kilometer Höhe, und die Mesosphäre endet bei etwa vierhundert Kilometern. Die letzte Zahl stammt von Erikas Messungen und Reflexion von Funkwellen und ist daher wahrscheinlich genauer als die anderen. Die beiden Sphären bieten keine nennenswerten navigatorischen Probleme. Hier können wir uns am längsten aufhalten, und hier müssen wir folgende Aufgaben lösen: Orientierung nach der geographischen Länge, genaue Vermessung der Schichten der Ionosphäre, Analyse der Vulkanstaubwolken in der Stratosphäre, nach Möglichkeit Beobachtung der Wettervorgänge in der Troposphäre, damit wir die Schlußfolgerungen daraus ziehen können. Ich schlage daher vor, daß wir die Exosphäre tangential ansteuern und mit einer Geschwindigkeit erreichen, die etwas kleiner als die Parkbahngeschwindigkeit ist, so daß wir uns auf einer Spiralbahn abwärts bewegen, die bis zum Eintritt in die Ionosphäre mindestens zwei Umläufe hat. Der Flug ist antriebslos und dauert etwa drei bis vier Stunden.
Bei Erreichen der Ionosphäre müssen wir kurz und heftig bremsen, um dann den größten Teil dieser Schicht wieder in einer Spiralbahn zu durchlaufen. Wir brauchen nämlich Zeit für zwei Dinge: für die genauere Untersuchung der Vulkanaschewolken in der Stratosphäre für den Fall, daß wir vorher nicht hinreichend ihre Zusammensetzung und Struktur klären können – und für das Lotsen der Sonde.
Vor dem Eintritt in die Stratosphäre erfolgt noch einmal eine kurze, heftige Bremsung und dann ein etwas kompliziertes Manöver: die Drehung des Raumschiffs um hundertachtzig Grad. Der Antrieb liegt dann nicht mehr vorn, sondern hinten. Wir sollten dann nämlich zum aerodynamischen Flug übergehen. Wenn wir die Tragflächen ganz ausfahren, dürfte der Auftrieb für eine langgestreckte Flugbahn reichen. Für die Ionosphäre und die Stratosphäre setze ich je zehn Minuten an.
Über die fünfte Etappe, die Troposphäre, läßt sich jetzt noch gar nichts sagen. Wir müssen die Möglichkeit einkalkulieren, auch längere Zeit in der Stratosphäre zu bleiben, was allerdings dann den Verlust der Sonde bedeuten würde, weil sie keinen aerodynamischen Flug ausführen kann.“
Er kramte unvorsichtig in den Notizen, die er sich zurechtgelegt hatte; einige Blätter erhoben sich vom Tisch und schwebten durcheinander. Als er alles wieder geordnet hatte, fuhr er fort:
„Entschuldigt, ich merke, mein Vortrag wird zu weitschweifig. Ich bin es nicht gewöhnt, so lange zu reden. Also, das waren zwei Dinge: mögliche Störungen im Ablauf und die Orientierung.
Es kann uns passieren, daß sich die vorgesehene Landestelle, der Platz, auf dem auch RELAIS 1 gelandet ist, gerade auf der Nachtseite befindet. In diesem Fall sollten Raumschiff und Sonde Parkbahnen in der Exosphäre beziehen, die uns keine Energie kosten. Gelingt uns die Orientierung erst in der Stratosphäre, müssen wir wieder hoch und noch einmal mit der zweiten Etappe anfangen, weil wir uns sonst in der Stratosphäre nur mit Antrieb halten könnten. Für die Orientierung sehe ich nach Studium der Karten zwei Möglichkeiten, und zwar in der magnetischen Feldstärke und im infraroten Bereich.
Der Magnetpol ist wie auf der Erde etwas verschoben gegenüber dem geographischen – oder richtiger planetographischen – Pol, und außerdem gibt es im Äquatorialgebiet eine relativ starke örtliche Magnetanomalie. Die
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