Der purpurne Planet
welcher Gelassenheit sich die drei Biologen in diesem Wald von Technik bewegten. Irgendwie hatte er mit dem Begriff Biologie unwillkürlich noch immer die Klippschulenvorstellung von Elefantenknochen, weißen Mäusen und gepreßten Gräsern verbunden, und obwohl ihm natürlich klar war, wie unsinnig diese Vorstellung war, konnte er sich doch nicht verhehlen, daß er nun vor allem den schweigsamen Klaus Rudloff mit ganz anderen Augen betrachtete als vorhin im Speisesaal.
„Laß uns hierbleiben, hier stören wir keinen!“ sagte Eileen und zog Michael vor eine Glaswand, hinter der irgend etwas Grünes träge herumwirbelte.
„Mich stört höchstens Dummheit“, warf der Biologe ein, „und die gibt es auf diesem Planeten nicht, dazu sind noch zuwenig Menschen hier.“
Michael hatte eine scharfe Entgegnung auf der Zunge, aber er hielt sie zurück – aus dem Gefühl heraus, daß er mit dem hiesigen Umgangston zu wenig vertraut sei, um zu wissen, ob das boshaft gemeint war. Außerdem bemerkte er plötzlich, wie alle den Kopf hoben und aufmerksam horchten. Metallische Schläge ertönten von fernher.
„Übersetz das mal unserem Freund!“ sagte Klaus Rudloff zu Eileen.
„Ach so, entschuldige“, meinte sie hastig und buchstabierte dann: „Sibyl an alle. Sturmwarnung. Schwerer Frühjahrsorkan kommt. Rückmeldung. – Bleibt hier, ich mach das mit!“ Damit lief sie hinaus, und bald hörte Michael, wie ganz in der Nähe zuerst drei, dann vier, dann fünf und sechs Schläge gegeben wurden.
„Kapiert?“ fragte der Biologe, nachdem er Michael einen kurzen Blick zugeworfen hatte.
„Kapiert“, antwortete Michael gelassen. „Ist Eileen Nummer fünf oder Nummer sechs?“
„Nummer sechs“, antwortete Uta Rudloff. „Bei uns Alten geht es nach dem Alphabet, bei den Jungen nach der Reihenfolge der Geburt.“
„Und was ist jetzt zu tun?“ fragte Michael.
„Zunächst mal nichts“, antwortete Eileen, die wieder hereingekommen war, „wenigstens für uns hier. Später gibt’s dann genug Arbeit für alle.“
„Ja“, bestätigte Klaus Rudloff bissig, „so viel, daß ihr froh sein werdet, wenn ihr wieder abschwirren könnt.“
Diese Bemerkung konnte Michael nun nicht unerwidert lassen, zumal der Biologe sie mit solcher Nebensächlichkeit hinwarf, ohne die Augen vom Okular des Gerätes zu nehmen, an dem er gerade arbeitete. Michael hatte aber keine Zeit zu einer Entgegnung, denn Klaus Rudloff wandte sich an Eileen und sagte: „Na los, Eileen, erklär ihm schon, was er da vor sich hat.“
Eileen zeigte auf die Scheibe, neben der sie standen.
„Hier entsteht die dritte Welle der biologischen Explosion“, sagte sie, und Michael war erstaunt, in ihrer Stimme fast so etwas wie kindliche Ehrfurcht zu hören. „Onkel Klaus fabriziert hier Schwebpflanzen – Einzeller, die sich in der Atmosphäre vermehren. Das Meer arbeitet von selbst für uns, mit der Bepflanzung der Kontinente haben wir begonnen, und nun wollen wir die Atmosphäre erobern. Das ist etwas ganz Neues, dazu gibt es keine Parallele. Das ist sein bisher größter Geniestreich.“
„Ich muß dich zweimal korrigieren“, meinte der Biologe. „Erstens gibt es dazu Parallelen auf der Erde, zum Beispiel manche Samen, die durch den Wind verbreitet werden. Und zweitens ist die Idee von Jochen, ich führe sie nur aus.“
„Vater sagt immer“, meinte Eileen, zu Michael gewandt, „Onkel Rudloffs Bescheidenheit ist nahezu unverschämt.“
„Und was ist nun die Wahrheit?“ wollte Michael wissen.
„Die Wahrheit, junger Mann“, sagte der Biologe, erhob sich und trat zu den beiden, „die Wahrheit über den Anteil des einzelnen an kollektiver Arbeit ist manchmal ein so schmaler Grat, daß man eigentlich nur die Wahl hat zwischen dem Abgrund der Anmaßung auf der einen und dem sanften Abhang der Bescheidenheit auf der anderen Seite. Ich ziehe, was mich betrifft, den sanften Abhang vor. Aus Bequemlichkeit.“ Er blickte Michael prüfend an.
„Und weil er heute gute Laune hat!“ ließ sich Uta Rudloff vernehmen.
„Sehr richtig. Obwohl ich schlechte Laune haben sollte. Schicken uns da ein ganzes Raumschiff, und was klettert heraus? Lächerliche zwei Mann Verstärkung.“
Zu Michaels Überraschung kam Eileen seiner Antwort zuvor und legte alle Argumente dar, die er wenige Minuten zuvor ihr gegenüber gebraucht hatte. Klaus Rudloff lächelte sarkastisch.
„Du brauchst nicht zu grinsen“, sagte Eileen schließlich wütend. „Ja, das ist nicht meine
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