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Der purpurne Planet

Der purpurne Planet

Titel: Der purpurne Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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meistens“, fügte er mit entwaffnender Offenheit hinzu, „meistens ist es schwer, mit meiner Frau über irgend etwas anderes zu reden.“
    Sie bogen vom Gang ab und stiegen eine lange Treppe hinunter.
    „Jetzt kommen wir in die Luftregenerationsanlage, kurz O-Keller genannt“, erklärte Tom. Bald darauf standen sie zwischen zwei Glasplatten wie in einem Aquarium. Luftbläschen stiegen hinter den Scheiben aufwärts und wurden in Kopfhöhe – anscheinend durch eine Art Sieb – aufgehalten und zerteilt.
    „Hier haben wir die beiden Luftschächte, die ins Flußtal münden. Durch sie wird die Außenwelt hereingedrückt in die Bassins, zunächst durch vielarmige Verteiler, aus denen die großen Blasen kommen. Die werden dann noch einmal durch einen Raster zerteilt – hier oben –, und dann steigen die kleinen Bläschen noch ungefähr acht Meter hoch. Dabei löst sich das Kohlendioxid im Wasser auf und wird von den Algen verarbeitet. Oben kommt dann also außer dem Stickstoff der Außenluft der von den Algen erzeugte Sauerstoff heraus – daher der Ausdruck O-Keller. Oxygenium-Keller. Wenn nun ein starker Orkan durch das Flußtal fegt, kann es vorkommen, daß der Überdruck durch den Unterdruck, der senkrecht zur Windrichtung herrscht, aufgehoben wird. Dann fangen die Luftschächte an, wie Schornsteine zu wirken. Sie würden uns also das Wasser absaugen, und die Algenkolonien gingen ein. Deshalb sperren wir jetzt die Schächte von hier aus und legen die Anlage einfach still. Der Sauerstoffgehalt der Innenluft wird dann aus der Reserve ergänzt – wenn der Sturm wirklich so lange dauert, daß das nötig werden sollte. Wir müssen jetzt darauf achten, daß die Luft immer schön perlt. Wenn du genau hinsiehst, entdeckst du die gläsernen Verteiler. Sollten sie Wasser ansaugen, verschwinden sie vollständig, weil sie fast den gleichen Brechungsindex wie das Wasser haben. Solange sie also zu sehen sind, besteht keine Gefahr. Du beobachtest links, ich rechts, klar?“
    Die Bassins, die sich nach oben in den Fels hinein fortsetzten, strahlten ein intensives bläuliches Licht aus, die Luftperlen schimmerten silbern. Die Gleichmäßigkeit, mit der sie aufstiegen, war einschläfernd. Erika schreckte auf, als Tom plötzlich fragte: „Hörst du?“
    „Nein, was?“
    „Horch doch mal hin!“ Erika gab sich Mühe – aber ergebnislos.
    „Der Orkan!“ erklärte Tom. „Der Felsen singt. Leg mal das Ohr an die Wand – nein, nicht ans Glas, an den Felsen!“
    Ja, nun hörte Erika es auch: ein ganz leises, hohes Singen – und plötzlich ein dumpfes Poltern. „Was war denn das?“
    Tom lachte. „Irgendwo bricht immer ein Stück Felsen ab und rollt zu Tal, aber kaum bei uns hier. Hier ist alles massiv und fest!“
    Erika starrte durch die linke Glaswand. „Du, sieh mal, täusche ich mich, oder kommen die Blasen jetzt langsamer.“
    Tom sah herüber. „Tatsächlich. Und bei mir läuft es normal weiter, was soll denn das heißen? Sonst war es doch immer umgekehrt!“ Nach einigen Minuten hörte auf Erikas Seite die Luftzufuhr ganz auf, aber die Verteiler blieben sichtbar, der Schornsteineffekt trat also nicht ein. Auf Toms Seite dagegen blieb alles normal. „Was kann denn das bedeuten?“ fragte Erika. Tom runzelte die Stirn und dachte angestrengt nach. „Also wenn ich mir die Lage der Schächte vorstelle, dann kann das nur bedeuten, daß…“ Er verstummte und nagte an der Unterlippe. „Daß?“ fragte Erika.
    „Daß dieser Schacht durch einen Bergrutsch verschüttet ist!“ sagte Tom schließlich entschlossen. „Ist das schlimm?“ Tom schüttelte den Kopf. „Aber es gibt viel Arbeit!“

    Mühsam, wie aus einem tiefen Schlaf kletternd, kam Irina zu sich. Als sie die Augen öffnete, sah sie, noch verschwommen, einen Mann an ihrem Bett sitzen.
    „Uwe?“ fragte sie.
    „Nein, Verwandtschaft!“ antwortete eine tiefe, fröhliche Stimme. „Dein Mann wird auch bald aufwachen. Alles in Ordnung.“
    Plötzlich wußte Irina, daß sie am Ziel waren. Zwar fehlten ihrem Gedächtnis die letzten Stunden vor dem Zusammenbruch, aber eins fiel ihr sogleich wieder ein.



„Es lag am Wetter, nicht wahr?“ fragte sie.
    „Wir nennen es die Schönwetterfalle“, bestätigte Jochen, „und unsere Ärztin sagt Purpur-Euphorie dazu“, er wies auf Eileen, die mit Michael etwas im Hintergrund saß, „meine Tochter Eileen.“
    „Guten Tag, Schwägerin – hallo, Michael“, sagte Irina, ohne sich zu wundern. „Und die Gereiztheit

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