Der purpurne Planet
sagte Jochen nachdenklich.
Michael schüttelte den Kopf.
„Hat sie noch in der Forschungsgruppe RELAIS gearbeitet?“ fragte Jochen.
„Ich weiß nicht“, sagte Michael leise, „ich glaube aber nicht, sie war wohl Lehrerin…“
Eine Weile schwiegen alle drei. Erst jetzt wurde Michael bewußt, daß er sich nur mit Jochen unterhalten hatte und daß Eileen schweigend dem Gespräch gefolgt war. Freilich, dachte er, sie kennt ja die Erde gar nicht, das alles muß ihr vorkommen wie exotische Märchen. So eine Ringstadt mußte ihr erscheinen wie ein Ameisenhaufen, oder nein, nicht einmal das, denn einen Ameisenhaufen kannte sie wahrscheinlich auch nicht. Aber er hatte die junge Neu-Rostockerin unterschätzt. Vielleicht war das alles wirklich romantisch für sie, in die Rolle der stummen Zuhörerin ließ sie sich jedoch nicht zurückdrängen.
„Und das alles, was du da erzählt hast – das alles ist für die Menschen wichtiger als unser Vorposten hier?“ fragte sie.
„Wieso?“ fragte Michael verständnislos.
Eileen schlug die Augen auf und blitzte ihn an. „Weil sie uns nur so ein kleines Raumschiff geschickt haben – und nur zwei Mann Verstärkung!“
„Ja, aber…“ stotterte Michael ratlos, „aber das ging doch gar nicht anders…“
„Ach!“ meinte Eileen wegwerfend.
Jochen lächelte. „Du mußt wissen, sie versteht von der Raumfahrt nicht mehr als ein durchschnittlicher Erdenbürger!“
Aber Michael hatte sich schon wieder gefaßt. Er erklärte noch einmal, sie seien ja als Rettungsmannschaft gestartet, und inwiefern sich aus dieser Aufgabenstellung die Zusammensetzung ergeben hatte. Er redete sich in Eifer, es schien ihm viel daran zu liegen, dem Mädchen eine bessere Meinung von den Erdenbürgern zu vermitteln. Er erklärte, daß die Menschheit viele Interessen habe und daß sie nicht für die Kosmonauten arbeite, sondern umgekehrt die Kosmonauten im Interesse der Menschheit tätig seien. Eileens Blick blieb jedoch kühl. Dann aber, ganz flüchtig, zwinkerte sie ihrem Vater zu, ironisch, wie Michael zu bemerken glaubte, und darum stockte er, brachte dann seinen Satz zu Ende und schwieg.
„Also du bleibst jedenfalls nicht hier?“ fragte sie dann. Michael antwortete nicht gleich, und er wunderte sich selbst darüber. Jeden anderen hätte er doch ohne Hemmungen gefragt, was er als Kosmonaut denn eigentlich hier solle, aber seltsamerweise fiel ihm das in diesem Fall schwer, und er tat etwas, das er sonst nie getan hätte – er versteckte sich hinter seinem Kommandanten.
„Das entscheide ich doch nicht!“ antwortete er.
„Und den Kommandanten können wir ja jetzt nicht fragen“, sagte Jochen Laurentz und erhob sich. „Eileen, es genügt wohl, wenn ich bei den Bewußtlosen wache; geh mit Michael zu den Biologen!“
Erst in diesem Augenblick erkannte Michael, wieviel Selbstbeherrschung es den Leiter der Station gekostet haben mochte, hier mit ihm zu diskutieren, statt am Bett seines Sohnes zu sitzen.
Erich Braune war glücklich. Hier, in Sibyl Laurentz’ Arbeitsraum, war ihm alles vertraut. Wenn ihm auch die Geräte in der Ausführung und Anordnung etwas altertümlich vorkamen, so kannte er doch ihre Bestimmung und konnte auf den Skalen und Kurven wie in einem Buch lesen. Vor allem aber hatte er einen fachkundigen Menschen zum Gedankenaustausch gefunden, mußte nicht jeden wissenschaftlichen Terminus erst umständlich erläutern und über die einfachsten Zusammenhänge viele Worte verlieren.
Sie hatten sich schnell verständigt über das Phänomen der Magnetpolwanderung, das Sibyl Laurentz auch bemerkt und vermessen hatte. Sie wußte sogar noch mehr darüber: Jenseits des Gebirges, in der Gegend des Roten Tals, wo große Massen Eisenerz lagerten, gab es eine schwache Magnetanomalie. Die Abweichung der Feldlinien legte die Vermutung nahe, daß sich ähnliche Erscheinungen wie die jetzige Polwanderung nur in Abständen von -zig Jahrtausenden zu wiederholen pflegten. Sie unterrichtete ihn auch darüber, daß die Wanderung und – soweit man das auf Grund standortgebundener Messungen beurteilen konnte – ebenfalls das Anwachsen der Proxima-Strahlung seit etwa zwei Jahren zum Stillstand gekommen waren.
Darüber aber, was bei einem eventuell bevorstehenden Abschwellen der Strahlungsemission der Proxima für Folgen zu erwarten seien, gab es sofort einen wissenschaftlichen Meinungsstreit. Sibyl vertrat die Auffassung, daß der Magnetpol wieder zurückwandern, die seismische Aktivität
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