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Der purpurne Planet

Der purpurne Planet

Titel: Der purpurne Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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war jetzt schon ziemlich groß auf dem Bildschirm sichtbar. Äußere Beschädigungen waren nicht zu erkennen.
    „Kleine Denkaufgabe“, fuhr er fort. „Hat die Sonde den Anruf empfangen oder nicht?“
    Michael starrte den Kommandanten einen Augenblick lang verwirrt an, aber dann begriff er: Ein Woher-soll-ich-das-wissen gab es an Bord eines Raumschiffs nicht, man mußte aus den kleinsten Beobachtungen Schlußfolgerungen ziehen, Möglichkeiten durchdenken, und da er zur Sonde überwechseln sollte, war es unter Umständen lebenswichtig, daß gerade er, Michael, alles durchdacht hatte, damit er bei gegebenem Anlaß im Bruchteil einer Sekunde richtig reagieren konnte.
    Wie war der Ablauf im Steuerungssystem der Sonde nach dem Einschwenken auf die Parkbahn?
    Vom Einschwenken bis zum Abruf wirkte ein Orientierungsregime, das zeitunabhängig war: Der feste Richtstrahler blieb auf die ferne Sonne gerichtet. Vom Empfang des Abrufs an wirkte ein Zeitregime, das lageunabhängig war: Zuerst wurde der Funkimpuls in Richtung Sonnensystem abgegeben, dann der empfangene Steuerbefehl verarbeitet zu Schaltbefehlen für die Düsen des Stabilisierungssystems, dann der Antrieb gezündet. Korrekturen mußten von der Bodenstation auf dem RELAIS gegeben werden.
    „Gehen wir davon aus“, meinte Michael, „daß nur ein Defekt aufgetreten ist; für zwei gleichzeitige Defekte wäre die Wahrscheinlichkeit so gering, daß wir den Fall praktisch ausschließen können. Einverstanden?“ Uwe nickte.
    „Dann muß der Defekt“, entwickelte Michael weiter, „im Stabilisierungssystem stecken, sonst würde die Sonde nicht taumeln. Wenn wir aber nur einen Defekt annehmen, muß die Sonde das Abrufsignal erhalten haben. Es fragt sich nun, ob der Defekt am Stabilisierungssystem vor oder nach dem Abruf aufgetreten ist. Die Frage ist eindeutig zu beantworten: vorher. Denn sonst hätte das Zeitregime unabhängig von der Lage im Raum den Antrieb eingeschaltet. Soweit richtig?“
    Uwe nickte wieder. „Und was folgt daraus?“
    „Ja, was folgt daraus?“ murmelte Michael – und bekam plötzlich eine Gänsehaut. „Daraus folgt, daß sich mit einiger Wahrscheinlichkeit das Zeitregime einschalten wird, sobald die Sonde zufällig einmal die Lage im Raum einnehmen wird, bei der der Richtstrahler auf das Sonnensystem zeigt.“
    „Das ist der springende Punkt“, meinte Uwe, „und damit habe ich mich inzwischen beschäftigt. Nach den bisherigen Messungen, Meßfehler einkalkuliert, wird dieser Zustand in vierzehn Tagen bis drei Wochen eintreffen. Insofern wäre das Risiko also vertretbar. Aber die Sache hat noch einen Haken.“
    „Wollen wir’s nicht lieber lassen?“ fragte Irina dazwischen.
    „Das werden wir auch noch diskutieren“, meinte Uwe. „Aber zunächst mal der Haken: Wir können nicht vorausberechnen, wie sich die Taumelbewegung verändern wird, wenn die Sonde entladen ist, aber ändern wird sie sich auf jeden Fall, die Ladung macht jetzt etwa fünf Prozent der Masse aus, und sie liegt nicht im Schwerpunkt. – So, und nun zu Irinas Frage, die ich auch mit allem Ernst stellen möchte. Da du am meisten gefährdet bist, Michael, ist ein Wort in dieser Sache am wichtigsten.“
    „Wir wollen uns doch nicht nachsagen lassen, daß wir mit Rücksicht auf unsere Knochen die Entwicklung von Neu-Rostock um Jahrzehnte aufhalten. Es muß eine Möglichkeit geben. Moment mal.“ Michael schaltete, auf seinem Bildschirm erschien eine schematische Darstellung des Zeitregimes der Sonden.
    „Sieh mal hier“, sagte er zu Uwe, „das Zeitregime wird ausgelöst durch den Abgang der Rückmeldung an die Erde. Es beginnt mit einer Lagestabilisierung. Wenn das gesamte System versagt hätte, würde die Sonde nicht mal taumeln. Man kann also damit rechnen, daß ein oder zwei Steuerdüsen funktionieren, und das müßte ich merken.“ Er sah wieder auf die Darstellung. „Erst dreißig Sekunden danach setzt das Triebwerk ein. In der Zeit könnte ich so weit weg sein, daß mir selbst dann nichts passiert, wenn der Treibstrahl mich zufällig voll treffen würde. Also – ich denke, wir machen es.“
    „Und wenn die Annahmen, von denen ihr ausgegangen seid, falsch sind?“ fragte Irina.
    „Dann passiert gar nichts“, sagte Uwe, „weil sich dann das Triebwerk nicht einschalten kann. Wir haben jetzt noch zehn Minuten Zeit, die wollen wir nützen, um festzulegen, wie man die Entladung weitgehend absichern kann.“
    Irina hatte noch einen Vorschlag. „Kann man nicht das

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