Der purpurne Planet
bin ich hier.“
„Bewohnt von glücklichen Menschen.“
„Was soll eigentlich diese Fragerei?“ lehnte sich Erika auf.
„Glaubst du“, fragte Uwe weiter, „daß es eine solide Grundlage für das Glück ist, wenn es unter neun Menschen, die nach unserem Abflug hier bleiben, zwei zerrüttete Ehen und eine unerfüllte Liebe geben wird?“
Sogar bei der roten Proxima-Beleuchtung konnte Uwe sehen, daß ihr das Blut ins Gesicht schoß.
„Oder ist dir etwa nicht klar“, fuhr er unbarmherzig fort, „was du mit Tom machst?“
Erika hatte Mühe, sich zu beherrschen. Sogar durch das Helmfenster klang ihre Stimme gepreßt, als sie antwortete: „Ich liebe meinen Mann und Tom seine Frau, und alles andere ist Unsinn.“
Uwe legte sich hin, verschränkte die Arme unter dem Kopf und sprach, ohne sie anzusehen, in den Himmel: „Vom ersten Teil deines Satzes bin ich überzeugt, vom zweiten nicht so ganz. Wenn das alles Unsinn wäre oder, sagen wir, nur eine Ausgeburt persönlicher Mißgunst von mir, dann hätten nicht kluge und erfahrene Leute mich darauf hingewiesen. Entschuldige, wenn ich dir das sage, aber du bist eben doch noch nicht ganz Neu-Rostockerin. Was du tust, wäre auf der Erde ganz normal, niemand würde darin etwas anderes sehen als kollegiale Sympathie zwischen dir und Tom. Aber auf der Erde hat jeder Mann kollegiale Beziehungen zu Dutzenden von Frauen und jede Frau zu Dutzenden von Männern. Und vor allen Dingen hat man sie schon, bevor man sich seinen Partner sucht. Und dabei wiederum hat jeder die Wahl; natürlich kann man sich dabei irren, das tut dann etwas weh, ist aber jedenfalls zu korrigieren. Das alles verhält sich hier entgegengesetzt. Seelische Schäden, die hier entstehen, sind beinahe irreparabel. Wie ich dich einschätze, hast du sicherlich einer Menge Männer den Kopf verdreht, bevor du dich für Erich entschieden hast?“
„Nehmen wir an, es wäre so“, sagte Erika unsicher.
„Es wäre seltsam, wenn es anders wäre. Denn das ist eine normale seelische Kraftprobe für jeden jungen Menschen. Tom hat diese Kraft nicht erprobt. Glaubst du nicht auch, daß die Möglichkeit dazu ihn verführen könnte, diese Kraftprobe nachzuholen?“
„Und wenn“, meinte Erika trotzig, „was wäre dabei?“
„Das wäre das gleiche, als würde jemand eine Tonne Dynamit im Kellergeschoß von Neu-Rostock einlagern und mit einem Zeitzünder versehen. Wer unglücklich ist, kann vielleicht für sich allein, aber nicht im Kollektiv richtig denken und arbeiten. Ohne seine kollektive Kraft aber ist Neu-Rostock nicht lebensfähig.“
Erika schwieg lange. „Und warum sprichst du mit mir und nicht mit Tom?“ fragte sie dann.
„Weil Tom nicht wissen kann, was in ihm vorgeht. Du müßtest es wissen.“
„Das ist doch alles ganz harmlos!“ rief Erika verzweifelt.
„Sicher“, sagte Uwe, „noch. Aber ihr werdet natürlich immer viel zusammenarbeiten, jahrelang, jahrzehntelang. Dafür muß eine solide emotionale Basis geschaffen werden, und das kannst nur du tun, die Verhältnisse liegen nun einmal so. Du solltest dich zu dieser Sache verhalten nicht wie zu einem Privatvergnügen, sondern wie zu einer Aufgabe.“
Uwe hatte sich aufgerichtet und Erika dabei angesehen. Jetzt ließ sie sich zurücksinken und schloß die Augen.
Uwe stand auf, spazierte auf dem Plateau umher und sah den Robotmaschinen zu. Aus der Nähe betrachtet sahen sie sehr geschäftig aus. Die Greifer kratzten am Felsboden, entnahmen dem Rumpf der Maschine verschiedene Geräte, setzten sie auf den Boden, bedienten sie, packten sie wieder ein…
„Kommandant?“ sagte Erika. Uwe drehte sich um, ihre Stimme hatte im Helmfunk ganz nahe geklungen, aber sie lag noch immer an der Stelle, wo sie sich unterhalten hatten.
„Ja?“ meldete sich Uwe.
„Ich glaube, du hast recht. Wie soll ich das nun in Ordnung bringen?“ fügte sie etwas hilflos hinzu.
„Ach, weißt du – ich bin überzeugt, du hast genug natürlichen Takt, um das behutsam und unauffällig zu tun. Und nun komm mal her und erklär mir, wie weit ihr hier inzwischen mit der Projektierung seid!“
Tag für Tag wurden nun Sonden gelandet, entladen, demontiert und in neu eingerichteten Höhlen verstaut. Sprungartig wuchs das Arsenal der Materialien, Maschinen und Informationen an, das der Station Neu-Rostock zur Verfügung stand. Jochen Laurentz, der Leiter, war vollauf damit beschäftigt, sich einen Überblick zu schaffen über die neuen, produktiven Möglichkeiten.
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