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Der purpurne Planet

Der purpurne Planet

Titel: Der purpurne Planet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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die große Metallkiste zu bewegen. Er hatte sie schon halb aus der Luke hinausgedrückt, als das Blitzlicht aufflammte. Unwillkürlich begann er sofort mitzuzählen: einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig. Sollte er die Kiste jetzt Kiste sein lassen und sich an ihr vorbeidrücken, aber dann war sie auf jeden Fall verloren, außerdem verstärkte sich die Drehbewegung, die Kiste verkantete und konnte ihn zerquetschen. Nein, er drückte stärker, versuchte ihr mehr Beschleunigung zu erteilen, jetzt war sie draußen, er war bei fünfunddreißig, also zu spät zum Absprung, schnell schloß er provisorisch die Ladeluke, er legte sich flach auf den Boden, dachte an Eileen, hatte plötzlich Angst, achtundvierzig, neunundvierzig, ein heftiger Schlag traf ihn, das ist der Andruck, fünfzehn g, dachte er noch, dann verlor er das Bewußtsein.
    „Michael, Michael!“ rief Uwe, als er die zwei Steuerdüsen aufflammen sah. „Irina, hörst du mich? Er hat es nicht geschafft. Du gehst jetzt in die Schleuse, schließt sie und schnallst dich an. In der Schleuse ist ein Kontakt für das Helmtelefon. Beeil dich!“
    Irina hatte sich gerade aus der Schleuse gemeldet, als aus dem Heck der Sonde der Antriebs strahl schlug.
    Das war ein gefährlicher Augenblick. Die Drehbewegung der Sonde wurde ja dadurch nicht aufgehoben, der Antrieb wechselte ständig die Richtung, und Uwe brauchte sein ganzes navigatorisches Geschick, um einen Zusammenstoß zu vermeiden.
    Dann holte Uwe das Fadenkreuz des großen Strahlers auf den Bildschirm. Mehrmals taumelte die Sonde durch den Nullpunkt, aber immer erschien es ihm zu weit oben. Endlich schob sich das Heck heran – „Jetzt!“
    Der Antriebsstrahl brach ab, statt dessen bildete sich am Heck der Sonde eine Flammenkugel. Die Steuerdüsen arbeiteten immer noch, das war gut, die Drehung beschleunigte sich, und vielleicht – ja, es reichte, die Fliehkraft reichte aus, den brennenden Treibstoff von der Sonde wegzuschleudern, es bildete sich eine Art Flammenring, der den Rumpf der Sonde frei ließ! – So, jetzt noch die Steuerdüsen zerstören, Fadenkreuz, Sondenkopf, ein Druck auf die Taste:
    Auch aus dem Bug brachen Flammen, wenn auch wesentlich kleinere.
    „Irina?“
    „Ja?“
    „Ich glaube, wir haben’s geschafft. Der Treibstoff verbrennt ein Stück entfernt von der Sonde. Wenn er den Andruck überstanden hat, kann ihm nichts mehr passieren.“
    „Trotzdem müssen wir jetzt warten, bis der Vorrat verbrannt ist.“
    „Ja“, sagte Uwe, „wir können im Moment nichts tun. Wir werden inzwischen die letzte Kiste einfangen, damit Michaels Risiko nicht umsonst war.“
    Die Kiste war an Bord, der Flammenring war erloschen, die TERRA schwebte neben der kreiselnden Sonde. Uwe verließ die Zentrale und begab sich zu Irina in die Schleuse.
    „Du bleibst hier und sicherst, ich hole ihn rüber“, sagte er und stieß sich von der TERRA ab.
    Irina sah, wie er auf die Sonde zuschwebte, sah ihn an der Ladeluke schweißen, sah, wie er wieder herauskam und Michael hinter sich herzog.
    „Was ist mit ihm?“ fragte Irina bang.



„Er ist bewußtlos“, antwortete Uwe über Helmfunk. „Verletzungen sind nicht zu sehen.“ In der Zentrale stellte Irina eine erste Untersuchung an.
    „Keine äußerlichen Verletzungen. Aber Fieber.“
    „Was sagt er denn?“ fragte Uwe.
    Irina blickte ihm ins Gesicht und sah nun auch, daß sich seine Lippen bewegten, aber es kam kein Ton heraus.
    „Die fünfzehn g hätte er doch aushalten müssen!“ meinte Uwe besorgt.
    „Vielleicht hatte er Angst, und die Muskeln haben sich im entscheidenden Moment gespannt?“ vermutete Irina.
    „Angst? Michael – Angst? Das glaube ich nicht. Er hat doch solche Situationen zu Dutzenden bestanden.“
    „Tja, mein Lieber, es gibt etwas, was Feiglinge zu Mutigen macht und Mutige ängstlich.“
    „Ach, das ist doch Poesie. Wenn ich nur wüßte, was er sagt. Es scheint immer das gleiche Wort zu sein.“
    „Ja“, erwiderte Irina, „und ich glaube, es heißt: Eileen.“

    Alle Neu-Rostocker und TERRA-Leute, bis auf Michael, der noch pflegebedürftig war, und Eileen, die ihn pflegte – hatten sich auf dem mittleren Gipfel des Dreispitz versammelt. Sogar die Biologen waren zu diesem feierlichen Anlaß aus ihren Labors gekommen und hatten die Schutzanzüge angelegt: Das Plasmawind-Kraftwerk sollte eingeweiht werden.
    Man hatte sich im gedeckten Leitstand versammelt, von dem aus man durch Sehschlitze einen guten Ausblick auf das

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