Der purpurne Planet
Wie er informierten sich alle Neu-Rostocker in der Kristallbibliothek täglich ein bis zwei Stunden lang darüber, was die Erde auf ihren Fachgebieten Neues geschaffen hatte.
Der Satellit und der Leitsender für die Sonden arbeiteten ausgezeichnet. Nur eine einzige Sonde hatte bisher nicht auf den Abruf reagiert. Fünf Tage später, als alle anderen Sonden schon eingeholt waren, kam sie erneut in Reichweite der Station. Aber auch diesmal flog sie vorbei, ohne den Abruf angenommen zu haben.
Verzichten konnte man auf diese Sonde nicht – sie enthielt wichtige Teile für das Kraftwerk. Also blieb nur eins: Die TERRA mußte noch einmal aufsteigen.
Uwe beriet sich lange und gründlich mit seinem Piloten. Das war eine kritische Angelegenheit: schwer vorauszusehen, was mit der Sonde los war. Sich einem Raumflugkörper zu nähern, der außer Kontrolle geraten war, verbot normalerweise schon das Reglement – normalerweise, das heißt, wenn nicht Menschenleben oder unersetzliche wissenschaftliche Erkenntnisse zu retten waren. – Daß außerdem die gesamte Fracht entladen werden mußte, komplizierte das Unternehmen noch mehr.
Es war von vornherein klar, daß nur die erfahrensten Kosmonauten an diesem Vorhaben teilnehmen durften – nämlich Uwe und Michael – und dazu eine Ärztin, Irina in diesem Falle, weil sie Raumerfahrung hatte.
Über die Aufteilung der Arbeit freilich stritten sie eine Weile herum. Uwe wollte durchaus, seiner größeren Erfahrung wegen, die Sonde übernehmen. Aber Michael argumentierte dagegen: Mit Zwischenfällen müsse man auf jeden Fall rechnen, und wenn etwas schiefginge, würde es Aufgabe des Raumschiffs sein, die Lage zu korrigieren, während der Posten auf der Sonde dabei eine sehr passive Rolle spiele; deshalb gehöre der Erfahrenere in die Zentrale des Raumschiffs.
Uwe wußte nur allzu gut, daß die Sicherheit jedes einzelnen, also auch Michaels, nicht von der speziellen Gefährlichkeit seiner persönlichen Aufgabe, sondern vom zweckmäßigsten Einsatz der Kräfte abhing, und er mußte deshalb seinem Piloten recht geben. Es wurde also beschlossen, daß Michael in die Sonde eindringen, Irina in der Schleuse des Raumschiffs die Ladung entgegennehmen und Uwe von der Zentrale aus alles überwachen und steuern sollte.
Die Neu-Rostocker – mit Ausnahme Jochens vielleicht – und auch die beiden Braunes, die von der besonderen Gefährlichkeit dieses Unternehmens keine Vorstellung hatten, verabschiedeten das Raumschiff fröhlichen Herzens, als es von dem inzwischen eingerichteten kleinen Kosmodrom startete.
Es dauerte einige Stunden, bis sie in die Nähe der Sonde kamen; denn deren Parkbahn lag mitten im Strahlungsgürtel, und da man die Zeit des Aufenthalts in diesem Bereich möglichst kurz halten mußte, konnte für die Annäherung nicht die navigatorisch einfachste Variante gewählt werden, sondern ein kompliziertes System von Manövern, das die TERRA erst in den letzten Minuten der Strahlung aussetzte.
Noch vorher, als sie die Sonde zum erstenmal in ihren Formen erkennbar auf den Bildschirm bekamen, gab es eine Überraschung: Sie taumelte im Raum. Damit war das Verfahren, das man damals vor der Landung benutzt hatte, um eine Sonde zu entladen, unanwendbar; es ließ sich keine stabile mechanische Verbindung zwischen TERRA und Sonde herstellen.
Während Uwe das Raumschiff weiter manövrierte, nahm sich Michael noch einmal den Plan der Sonde vor – da alle anderen schon gelandet waren, wußte man ja glücklicherweise, um welche es sich handelte.
Fünfundzwanzig Container enthielt die Sonde. Er würde sie einzeln hinauswerfen, und das Raumschiff hatte dann der Sonde zu folgen und die Behälter mit dem Wurfnetz einzufangen. Aber dazu müßten sie kenntlich gemacht werden, auffindbar. Fünf Funkbojen hatte man an Bord, das reichte nicht. Moment mal, und wenn man die Helmsender der Reserveanzüge dazu nähme? Das wären sechs, im ganzen also elf, an der zwölften könnte er, Michael, selbst hängen – aber dann bliebe nach der zweiten Serie immer noch ein Behälter übrig, und er müßte zum drittenmal… Aber warum denn nicht? Anders ging es auf keinen Fall, gezielte Würfe wären bei dieser Taumelbewegung der Sonde viel zu riskant. Und wenn die eine oder andere Funkboje beim Einladen zu Bruch ging, hatte er die dritte Serie immer noch als Reserve. Michael entwarf einen Zeitplan und legte das Ganze Uwe vor. Der Kommandant billigte den Plan.
„Schau mal da“, sagte er dann. Die Sonde
Weitere Kostenlose Bücher