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Der Putzteufel geht um

Der Putzteufel geht um

Titel: Der Putzteufel geht um Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Cannell
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»Ab mit Ihnen.« Ich machte ihr die Haustür auf. »Und machen Sie sich keine Gedanken. Ich habe Zeit und muß nicht gleich wieder nach Hause.«
»Sind Sie sicher?« Vienna kramte in ihrer Tasche nach dem Schlüssel. Sie grub alles mögliche hervor – Taschentücher, ein Portemonnaie für Münzgeld, ein Adressbuch – aber keinen Schlüssel. Als sie alles wieder zurückgestopft hatte, sagte sie, das sei eigentlich egal, der Ersatzschlüssel läge immer unter einem Blumentopf am Hintereingang. Ich hoffte, daß sie diesen Sachverhalt nicht jedem auf die Nase band. Das war nämlich das Problem bei so offenherzigen Menschen wie Vienna: Sie waren manchmal viel zu vertrauensselig.
Ich klopfte leise an die Wohnzimmertür, ehe ich sie aufmachte und den Kopf hindurchsteckte. Die Vorhänge waren zugezogen, um das graue Wetter auszusperren, die Lampen brannten, wenn auch nur schwach, und im Kamin flackerte ein Feuer. Madrid ruhte auf dem Sofa. Ihr Kopf wurde durch ein paar Kissen gestützt, und auf ihrem Bauch lag ein großes Buch. Sie zerteilte ihre Haardecke, klemmte sich die Strähnen hinter die Ohren und blinzelte mir durch die Brille entgegen. »Hallo«, sagte sie mit matter Stimme und beobachtete, wie ich näher kam. »Ich dachte mir doch, daß ich draußen Stimmen hörte! Es ist immer alles so vage, wenn ich unter meinen Depressionen leide. Wo ist Vienna?«
»Sie ist einkaufen gegangen«, erwiderte ich. »Sie will Ihnen etwas Leckeres zum Tee besorgen.« »Wie schön. Vielleicht fühle mich danach nicht mehr so schwach.« Es ist nicht leicht, bleich und mitleiderregend auszusehen, wenn man ein Mondgesicht und Hängebacken hat, aber Madrid brachte es irgendwie zustande. Früher mußte sie einmal ganz nett ausgesehen haben. Einen flüchtigen Augenblick lang glaubte ich, einen Eindruck von dem hübschen pausbäckigen Mädchen zu erhaschen, das sie vor langer Zeit wohl gewesen war, ehe der Kummer sie übermannte.
»Vienna hat mir schon gesagt, daß Sie etwas angegriffen sind.« Ich suchte den richtigen Ton zwischen Beileid und Trost. »Sie beide haben ja auch einiges hinter sich.« »Meine Schwester ist ungeheuer stark. Natürlich ist sie schon über die Wechseljahre hinweg, und man sagt ja, daß dann die männlichen Hormone dominieren. Aber sie war schon immer mein Schutzwall.« Madrid wollte sich ein wenig hochhieven, ließ es dann aber lieber sein und sank wieder in die Kissen zurück. »Das kommt, weil sie die Altere ist und unsere Eltern gestorben sind, als wir beide noch klein waren. Ich bin Viennas ganzes Leben. Aber ich versuche, ihr keine Last zu sein. Würde es Ihnen etwas ausmachen« – sie hob eine müde Hand – »noch einen Scheit auf das Feuer zu legen? Und könnten Sie mir vielleicht meine Stola dort von dem Stuhl holen?« Sie hob den Kopf tapfer in die Höhe. »Da hinten an der Tür.« »Sie ist sehr hübsch«, sagte ich, nachdem ich mich um das Feuer gekümmert und ihr die Stola gereicht hatte, die sie daraufhin über sich drapierte. Das gute Stück war aus Kordel gefertigt und glich einem Läufer. »Hat Vienna die für Sie gemacht?« »Nein, die habe ich Vorjahren selbst geknüpft, als es Mode war, mit Makramee zu arbeiten.« Madrid ließ die Hände auf das aufgeschlagene Buch auf ihrem Bauch sinken. »Ich war früher künstlerisch tätig. Aus jener Zeit kenne ich auch den Mann, der Jessicas Bild gemalt hat.« Sie legte den Kopf zur Seite, um zum Kaminsims hochzublinzeln. »Er – Antonio Pucochki – war vor allem für seine Skulpturen bekannt.« Sie preßte die Lippen zusammen und nahm die Brille ab, um sie mit der Stola zu reinigen. »Doch wie Sie sehen, war er auch ein begnadeter Maler. Aber Jessica war ja auch der Traum eines jeden Künstlers. Sie war glücklich, wenn sie Modell sitzen konnte. Stundenlang. Hauptsache, ich blieb in ihrem Blickfeld. Antonio hat uns alle Skizzen überlassen, die er von ihr gemacht hat. Sie sind im ganzen Haus verteilt. Und natürlich haben wir unzählige Fotos. Ich war gerade dabei, mir eins der Alben anzusehen.« Sie hob das Buch in die Höhe und hielt es mir entgegen. »Mein Liebling hatte diese wundervolle Kameraaffinität, die offenbar alle großen Models besitzen. Sie wußte instinktiv, wie sie am besten aussah, manchmal nur dank einer kleinen Drehung des Köpfchens. Das liebe Seelchen!«
Danach herrschte im Zimmer Schweigen, das nur durch das leise Ticken der Uhr und das gelegentliche Knacken des Feuers unterbrochen wurde. Nach einer Weile fragte Madrid

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