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Der Putzteufel geht um

Der Putzteufel geht um

Titel: Der Putzteufel geht um Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Cannell
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wehmütig, ob ich mir das Album nicht einmal anschauen wolle. Also zog ich meinen Stuhl näher und machte mich daran, Jessica in tausend verschiedenen Posen vor tausend verschiedenen Hintergründen zu bewundern.
»Das hier wurde an dem Tag aufgenommen, als wir sie mit zu Madame Tussaud’s genommen haben.« Madrid zeigte stolz mit dem Finger auf ein Foto. »Aber sie wollte nicht mit hinein.« »Sind denn Hunde dort überhaupt zugelassen?« »Das weiß ich nicht, aber unser Schätzchen fing bereits an zu zittern, als Vienna das Horrorkabinett erwähnte. Wir sind statt dessen lieber ein Eis essen gegangen. Erdbeereis mochte sie am liebsten. Und danach durfte sie zur Pediküre, in einem ganz entzückenden kleinen Hundesalon in Soho.« Madrid wendete langsam eine Seite nach der anderen um. Es gab Fotos von Jessica am Meer, Fotos, wie sie auf Sofas und Sesseln ruhte, wie sie in eine Stola gehüllt war, die zwar kleiner, aber sonst genau das Ebenbild von der war, die Madrid jetzt schmückte. Es gab Fotos, auf denen sie auf Hundeschaus vorgeführt wurde, und Fotos, auf denen sie aus einem Champagnerglas trank. Und dann gab es auch noch ein Foto von Jessica, wie sie zierlich ein Taxi bestieg, als sie zum ersten Mal auf dem Weg zu ihrem Verlobten war, dem Baron von Knurrhahn. »Sie war so glücklich. Ich bin sicher, bei ihr war es Liebe auf den ersten Blick.« Madrids Stimme brach, und sie schlug das Album zu. »Aber seine Gefühle waren wohl weniger stark, denn sonst hätte er nach ihrem Tod eine angemessene Trauerzeit eingehalten«, fuhr sie mit großer Bitterkeit fort. »Was hat der lüsterne Herr Baron statt dessen gemacht – er hat sich mit Elizabetta Dancefoot eingelassen, die immer so aufdringlich mit dem Hinterteil wackelt. Eine kleine Nutte. In der ganzen Linie nicht eine Goldmedaille. Eine Schlampe, die sich jedem für einen Hundekuchen hingegeben hätte.«
Genau in diesem Moment kam mir der Gedanke, daß Madrid Miller nicht nur wunderlich, sondern nicht mehr ganz dicht war. Sie konnte nichts dafür, und es gibt Menschen, die schlimmere Macken haben, aber ich hatte es mit einem Mal eilig, von dort wegzukommen, bevor ich noch in irgendein Fettnäpfchen trat. Leider ist die Zunge oft schneller als der Fuß. »Hat denn eines von Jessicas Waisenhündchen später eine Goldmedaille gewinnen können?« fragte ich. Madrids Miene verzerrte sich.
»Weiß ich nicht. Was für eine schreckliche Frage – ich hasse es, über diese Tiere zu reden. Es war schlimm genug, daß Vienna darauf bestand, ein paar von ihnen zu behalten. Oh, es tut mir leid.« Ihre Stimme wurde wieder sanft, und sie streckte die Hand aus, um meinen Arm zu drücken. »Ich hätte Sie nicht so anfahren dürfen. Wie undankbar von mir, wo Sie doch so nett sind. Ich bin einfach nur in einer entsetzlichen Verfassung. Wenn ich vielleicht ein Glas Brandy bekommen könnte? Die Flasche steht in der Speisekammer. Würde es Ihnen etwas ausmachen, sie zu holen?«
»Nicht im geringsten.« Ich war schon auf den Füßen und an der Tür, bevor sie zu Ende geredet hatte.
»Sie wissen ja, wo die Küche ist, und wenn sie schon auf dem Weg sind, können Sie auch gern einen Blick ins Arbeitszimmer werfen – dort hängen ein paar der schönsten Skizzen.« Nachdem ich hoffentlich überzeugend genug meine Begeisterung bekundet hatte, flüchtete ich in die Eingangshalle. Ich hatte nicht das geringste Bedürfnis, noch weitere Eindrücke von Jessica aufzunehmen, selbst wenn sie jemand wie Picasso gemalt hätte. Aber vor dem Arbeitszimmer blieb ich trotzdem stehen, um einen Blick hineinzuwerfen. Vielleicht würde sich ja der Geist von Mrs. Large danach beruhigen und verschwinden. Was für ein trostloser Raum, selbst jetzt noch, da Mrs. Large nicht mehr die Hälfte des Fußbodens beanspruchte. Ich hatte mir mit dem Anblick jedenfalls keinen Gefallen getan, denn die schreckliche Erinnerung wurde nun erst recht wieder wach. Ich sah alles noch einmal genau vor mir: die umgeworfene Leiter, Mrs. Larges erstaunt offenstehender Mund, den Staubwedel, der ihr aus der Hand ragte, das Kehrblech und den kleinen Aschehügel auf dem Fußboden.
Ich floh durch die Eingangshalle, als seien ein halbes Dutzend Geister hinter mir her. Nachdem ich in der Küche hastig nach dem Lichtschalter getastet hatte, stolperte ich auf die Speisekammer zu, ein kleines Räumchen neben der Hintertür. Drinnen waren vor Urzeiten Marmorborde angebracht worden, die mittlerweile ihren Glanz verloren hatten, und deckenhohe

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