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Der Putzteufel geht um

Der Putzteufel geht um

Titel: Der Putzteufel geht um Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy Cannell
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traurig«, bestätigte ich. Tall Chimneys war einfach ein Haus des Schreckens. Die Treppe schien sich die Wände hochzustehlen und sich in den kleinstmöglichen Raum zu drängen, nur daß niemand merkte, wie ihre dunklen Stufen die Ohren spitzten, um alles zu belauschen. Zum Glück war Vienna offensichtlich keine Frau, die für Atmosphärisches empfänglich ist. Sie trug dasselbe sackartige Kostüm, das sie schon bei der Beerdigung angehabt hatte. Ihr Hut hing jetzt allerdings am Hutständer und würde sicher erst wieder abgenommen werden, wenn der nächste Todesfall anstand. Viennas Füße steckten in festgeschnürten Spazierschuhen. Wie es schien, war das dramatische Getue ihrer Schwester vorbehalten. Das war nicht nett gedacht. Ich versuchte, den Gedanken wieder rückgängig zu machen. Vienna rückte die Tasche zurecht, und ich erklärte ihr, daß ich nur vorbeigekommen sei, um zu sehen, wie sie sich fühlten. Nachdem es heraus war, klangen meine Worte so aufdringlich, daß ich schnell noch sagte, ich würde mich außerdem freuen, wenn sie und Madrid mich bald einmal zum Nachmittagstee besuchten.
»Vielleicht möchten Sie sich mit Jonas auch noch ein bißchen über den Garten unterhalten«, bot ich zusätzlich an und, als wäre es immer noch nicht genug, setzte ich hinzu: »Dann könnten Sie auch meinen Cousin Freddy kennenlernen. Er kommt ab und zu bei uns vorbei, wenn er nicht arbeitet. Und die Kinder sind natürlich auch noch da – falls es Sie nicht stört, wenn Dreijährige über sie herfallen.«
»Was für ein reizender Mensch Sie sind.« Auf Viennas Gesicht drückte sich aufrichtige Freude aus. »Madrid hat schon befürchtet, daß man uns meiden würde, nach dem, was passiert ist. Sie macht sich entsetzliche Vorwürfe, weil wir Mrs. Large nicht früher gefunden haben. Ich sage ihr immer wieder, daß sie laut der gerichtlichen Untersuchung auf der Stelle tot war. Aber ich kann ihr einfach nicht ausreden, daß wir etwas hätten tun können, wenn wir nur nicht so beschäftigt gewesen wären. Aber es ist doch wohl kein Wunder, daß wir nicht gehört haben, wie Mrs. Large von der Leiter gestürzt ist!«
»Sie hatten einiges um die Ohren«, bestätigte ich. »Immerhin waren Sie gerade dabei, Gäste zu bewirten, die Sie kaum kannten. Ich weiß, wie das ist. Da könnte bei mir eine ganze Elefantenherde durchs Haus trampeln, und ich würde nichts davon mitkriegen.«
»Leider gab es da noch etwas anderes.« Vienna schien froh zu sein, sich endlich alles von der Seele reden zu können »Ich hätte nie vorschlagen dürfen, daß wir das Kränzchen an dem Tag bei uns abhalten. Dummerweise habe ich gedacht, daß es Madrid über ein Datum hinweghilft, das ihr immer sehr nahegeht – ich meine damit Jessicas Todestag. Aber in Wirklichkeit hat es alles nur noch schlimmer gemacht. Sie hat sich so tapfer mit den Vorbereitungen abgemüht! Aber dann ist ihr, kurz bevor Sie gekommen sind, die Platte mit den Rosinentörtchen aus den Händen gefallen. Wir mußten uns ganz schön tummeln, um eine zweite Portion fertig zu bekommen. Alles in allem war das Ganze für sie eine furchtbare Strapaze.«
»Und jetzt machen Sie sich Vorwürfe«, sagte ich verständnisvoll, weil ich das Gefühl gut kannte. »Aber das dürfen Sie nicht, Vienna. Ohne diesen Unglücksfall hätte unser Kränzchen Madrid durchaus aufmuntern können, genau wie Sie sich das gedacht hatten.«
Vienna schüttelte den Kopf. »Ich weiß, es klingt furchtbar, aber ich wünschte, Mrs. Large wäre an einem anderen Tag gestorben! Dann wäre Madrid bestimmt besser damit zurechtgekommen. Unter den gegebenen Umständen habe ich mich gewundert, daß sie es überhaupt zur Beerdigung geschafft hat. Ich wollte eigentlich, daß sie hierbleibt, aber sie hat sich zu große Sorgen darüber gemacht, was die Leute wohl denken, wenn sie nicht erscheint. Doch vielleicht…« Vienna machte eine Pause und sah mich erwartungsvoll an.
»Ja?« sagte ich, eifrig bemüht, ihr weiterzuhelfen. »Wenn Sie vielleicht hineingehen könnten und ein paar Worte mit ihr wechselten – sie liegt auf dem Sofa im Wohnzimmer. Dann wüßte sie wenigstens, daß auch noch andere Menschen als nur ihre tütelige Schwester Anteil an ihr nehmen.« »Das tue ich gern.«
»Mir wäre jedenfalls wohler, wenn ich wüßte, daß jemand bei ihr ist. Ich beeile mich natürlich und bin sobald ich kann wieder zurück. Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich jetzt einfach loslaufe und Ihnen noch nicht einmal eine Tasse Tee anbiete?«

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