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Der Rabbi schoss am Donnerstag

Der Rabbi schoss am Donnerstag

Titel: Der Rabbi schoss am Donnerstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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dahingehend geändert worden waren, dass es nunmehr auch den Frauen gestattet wurde, zu wählen und ein Amt zu bekleiden.
    Groß und mächtig stand Maltzman da, als er auf die Smalls hinabblickte. Er hatte kleine, blaue Augen, die gewöhnlich freundlich, aber auch stählern blitzen konnten, wenn man ihm in die Quere kam, und die weit aus den Höhlen traten, sobald er sich ärgerte. Als er dem Rabbi jetzt die Hand reichte, blickten sie jedoch freundlich drein, und Miriam schenkte er, als sie ihm den Mantel abnahm und ihn in den Garderobenschrank hängte, das herzliche Lächeln, das er automatisch für jede Frau bereit hatte. Er nahm den Sessel, den der Rabbi ihm anbot, erhob sich jedoch sofort wieder, als Miriam aus dem Flur hereinkam.
    «Sie werden sicher Synagogenangelegenheiten zu besprechen haben», sagte sie. «Ich lasse Sie sofort allein.»
    «Es wäre mir lieber, wenn Sie hier bleiben, Mrs. Small», entgegnete er. «Natürlich geht es um die Synagoge, aber es betrifft auch Sie. Wenigstens glaube ich das. Ich möchte mit Ihnen über den Platz der Frauen beim Gottesdienst sprechen, Rabbi.»
    «Hätten Sie gern einen Tee oder Kaffee?», erkundigte sich Miriam.
    «Keins von beiden, danke.»
    «David?»
    «Für mich auch nicht, Miriam.»
    Maltzman wartete, bis sie Platz genommen hatte; dann erst setzte auch er sich wieder.
    «Da wir nun Frauen im Vorstand haben», begann er, «verlangen sie jetzt ziemlich energisch die volle Gleichberechtigung beim Gottesdienst. Aber so etwas kann man natürlich nicht durch einfache Stimmenmehrheit beim Vorstand beschließen. Über so etwas Grundlegendes müsste ein Referendum oder eine Generalversammlung entscheiden.»
    «Sie haben Recht», antwortete der Rabbi. «Der Vorstand allein sollte über eine derartige Frage nicht entscheiden. Also warum nicht eine Generalversammlung einberufen?»
    «Weil die Gegenseite die Abstimmung nicht gelten lassen würde», sagte Maltzman ärgerlich. «Kaplan, der Vertreter der orthodoxen Richtung, hat mir praktisch angedroht, wenn wir zuließen, dass Frauen einen Teil des minjen bilden und sie zum Vorbeten zulassen und so, werde er austreten. Dann würde er mit seiner ganzen Gruppe die Synagoge verlassen.»
    Der Rabbi nickte. «Das hatte ich erwartet. Ich weiß nicht, wie viele mitgehen würden, doch wenn es genug sind, um eine neue Synagoge zu gründen, kann ich mir vorstellen, dass andere nachfolgen.»
    «Das meine ich auch», stimmte ihm Maltzman zu. «Deswegen finde ich, wir müssten jetzt mal energisch werden. Wenn also der Rabbi der Gemeinde für die Gleichberechtigung stimmen, wenn er darüber predigen würde …»
    «Mit mir dürfen Sie nicht rechnen, Mr. Maltzman», unterbrach ihn der Rabbi schnell.
    «Wollen Sie sagen, Sie sind dagegen? Aber warum?» Maltzman war aufrichtig erstaunt.
    Der Rabbi lächelte. «Nennen Sie es Festhalten an der Tradition, wenn Sie wollen. Wenn wir eine so drastische Veränderung vornehmen, zieht das andere Auswirkungen nach sich, unvorhergesehene Auswirkungen, und einige davon nicht wünschenswert. Es ist ein elementares soziologisches Gesetz, dass es unmöglich ist, nur eine Sache zu verändern.»
    «Dann sind Sie überhaupt gegen jede Veränderung?»
    «Nein, nicht gegen jede. Aber gegen unnötige. Mir scheint, dass diese spezielle Veränderung auf dem Boden der Women’s Lib-Bewegung gewachsen ist, und wie immer, in den Anfangsstadien einer Bewegung, kommt es zu allen möglichen übertriebenen Reaktionen. Ein Herrenclub muss Frauen aufnehmen, sonst ist er sexistisch. Es heißt nicht mehr, ‹man hat›, sondern ‹mensch hat›. Bei einem Vortrag, den ich mir anhörte, benutzte der Redner den Ausdruck ‹jeder für sich›. Eine Frau im Publikum stand auf und behauptete, er müsse sagen, ‹jeder oder jede für sich›. Lächerlich! Wir sind eine Jahrtausende alte Institution. Sollen wir uns ändern, nur weil sich die Mode plötzlich geändert hat? Sollen wir den traditionellen Kol-Nidre-Gesang ändern, weil in der Musik gerade Rock ’n’ Roll Mode ist?»
    «Aber es hat Veränderungen gegeben, Rabbi.»
    «Gewiss, sobald es praktisch und notwendig war. Hillels prosbul änderte die Gesetze des Sabbatjahrs, als es erforderlich wurde, den Handel weiterzuführen, der sich damals entwickelt hatte, Rabbi Gershom änderte die Ehe- und Scheidungsgesetze. Ganz zu schweigen von den vielen Gesetzen, die wir änderten, als sie durch die Zerstörung des Tempels in Jerusalem hinfällig wurden. Unsere eigene Konservative

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