Der Rabbi
Tisch werfen, aber mit seinem Sohn als Partner kam er selten in diese Situation.
»Ich dreh zu. Zähl deine Punkte«, sagte er und zog an seiner Zigarre.
Das Telephon läutete.
»Zwei Asse, das ist alles«, sagte Michael. »Weitere neun Punkte für dich.«
»A schmeer.«
»Michael«, rief die Mutter. »Das Telegraphenamt.«
Er stürzte zum Telephon. Die Eltern standen wartend in der Küche, während er »Hallo« sagte.
»Rabbi Kind? Ein Telegramm für Sie. Der Text lautet: >Ich schäme mich und danke Ihnen für alles. Verzeihen Sie mir Komma wenn Sie können.< Unterschrift: >Leslie.< Soll ich wiederholen?«
»Danke, ich habe verstanden«, sagte er und hängte ab.
Die Eltern folgten ihm zurück zum Spieltisch. » Nü ?« fragte der Vater.
»Nichts Wichtiges.«
»So unwichtig, daß man dir hat telegraphieren müssen?« »Einer von meinen Jungen in Arkansas wird demnächst bar-mizwe, und die Familie ist ein bißchen nervös. Sie wollten mich nur noch an ein paar Dinge erinnern.«
»Können sie dich nicht einmal in deinem Urlaub in Ruhe lassen?«
Der Vater setzte sich an den Tisch und schob die Karten zusammen.
»Im Casino wirst du kein Meister. Wie wär's mit einem kleinen Gin?«
Um elf, nachdem die Eltern schlafen gegangen waren und Michael in seinem Zimmer war, versuchte er zu lesen, die Bibel zuerst, dann Mickey Spillane und schließlich seinen alten Aristoteles. Aber das alles half nichts, und er merkte nur, wie schadhaft und abgenützt der Einband des Aristoteles war. Er zog seinen Mantel an, verließ die Wohnung, sperrte den Wagen auf, stieg ein und fuhr, fuhr über die Queensboro Bridge statt durch den Tunnel, denn er wollte die Lichter im East River sehen.
Er kämpfte sich durch den Verkehr von Manhattan und fand dann, als gutes Omen, einen Parkplatz direkt vor ihrem Wohnhaus.
Einen Augenblick lang stand er unschlüssig in dem düsteren Flur, dann klopfte er und hörte den Schritt nackter Füße.
»Wer ist's?« »Michael.« »Mein Gott, ich kann Sie nicht hereinlassen.«
»Warum nicht?« fragte er ärgerlich.
»Ich sehe entsetzlich aus.« Er lachte. »Mach schon auf.« Sie öffnete, und er sah, daß sie einen verwaschenen grünen Pyjama trug und einen alten braunen Flanellschlafrock, dessen Ärmelkanten schon durchgewetzt waren. Die Füße waren nackt, und das Gesicht trug keinerlei Make-up.
Ihre Augen waren etwas gerötet, als hätte sie geweint. Er umarmte sie, und sie lehnte den Kopf an seine Schulter.
»Hast du meinetwegen geweint?« fragte er. »Eigentlich nicht. Mir ist so entsetzlich schlecht.« »Brauchst du irgend etwas? Einen Arzt?«
„Nein. Es ist immer dieselbe Geschichte, alle vier Wochen.« Ihre Worte, an seiner Schulter gemurmelt, waren kaum verständlich. »Ach so.«
»Gib mir deinen Mantel«, sagte sie, aber noch ehe sie ihn weghängen konnte, verzog sie ihr Gesicht. Sie ließ den Mantel fallen und begann so heftig zu weinen, daß er erschrak.
Sie legte sich auf die Couch, mit dem Gesicht zur Wand. »Geh«, sagte sie, »bitte, geh.«
Aber er hob seinen Mantel auf, warf ihn über eine Stuhllehne und stand dann neben ihr und sah sie an. Sie hatte die Knie an den Leib gezogen und machte gleichmäßige Schaukelbewegungen, als wollte sie den Schmerz in Schlaf wiegen.
»Kannst du nicht irgendwas nehmen?« fragte er. »Ein Aspirin vielleicht?«
»Kodein.«
Die Flasche stand im Apothekenkasten, und er verabreichte Leslie eine Tablette mit Wasser und setzte sich wartend ans Fußende der Couch.
Bald tat das Kodein seine Wirkung, und sie hörte zu schaukeln auf. Er berührte ihren Fuß und fand, daß er kalt war. »Du solltest Hausschuhe anziehen«, sagte er, nahm einen Fuß zwischen seine Hände und begann ihn zu kneten.
»Oh, das ist gut«, sagte sie. »Deine Hände sind so warm. Besser als eine Wärmflasche.« Er fuhr fort, ihre Füße zu massieren. »Leg deine Hand auf meinen Bauch«, sagte sie.
Er rückte näher an sie heran und ließ seine Hand unter den Schlafrock gleiten.
»Das ist angenehm«, sagte sie schläfrig.
Durch den Stoff der Pyjamahose konnte er die weiche Haut ihres Bauches spüren. Mit der Spitze des Mittelfingers stellte er tastend fest, daß ihr Nabel außergewöhnlich groß und tief war. Sie schüttelte den Kopf.
»Kitzelt.«
»Verzeih. Dein Schoß ist wie ein runder Becher, dem nimmer Getränk mangelt.«
Sie lächelte. »Ich will ja gar nicht deine Freundin sein«, murmelte sie.
»Ich weiß.«
Er blieb bei ihr sitzen und sah sie an,
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